In der alten Fabrik lebt Tanja Dipner mit Mann und Tochter. Weil sie Veränderung liebt, haben fast alle ihre Möbel Rollen. Innerhalb der Wohnung befindet sich auch das Atelier der Künstlerin.
Nicht jedermann fühlt sich auf einer 260 Quadratmeter großen Fabriketage in einer ehemaligen Zigarrenmanufaktur wohl. Und nicht jedermann ist vermutlich auch dazu befähigt, eine solche nur auf das Notwendigste abgegrenzte Fläche wohnlich einzurichten. Wer jedoch Tanja Isabel Dipners Reich betritt, das sie zusammen mit ihrem Mann Christian Dustmann, ihrer 15-jährigen Tochter Antonia und Hund Lola bewohnt, spürt sofort: Hier lebt jemand, der das Einrichten zu seiner eigenen, persönlichen Kunstform erkoren hat. Denn eigentlich gibt es nichts in diesem Fabrikloft in einem Hinterhof von Eilbek, das die sympathische Hamburgerin nicht auf irgendeine Weise abgewandelt hat.
Da ist zum Beispiel der Werkzeugschrank zwischen Küche und Wohnbereich, der zur Bar umfunktioniert wurde. Oder die ausrangierten US-Briefkästen, die die 46-Jährige auf einer Reise nach Antwerpen entdeckt hat. Sie hat die Metallboxen zu einer hängenden Anrichte nahe dem Esstisch umfunktioniert. Kristallgriffe und die Lackierung der Fronten mit einem warmen Bronzeton machen dieses Möbel zu einem glitzernden Unikat.
Mit ihrem Mann gründete sie eine Firma für Kindermöbel und Accessoires
Beeindruckend ist auch Tanja Dipners Idee, deckenhohe Industrieregale rundherum mit kleinen roten Schirmleuchten zu versehen. Ein Kunstgriff, auf den die gelernte Grafikdesignerin besonders stolz ist: „Die kleinen Leuchten werden mithilfe von alten Heizungsrohren und einem Magnetsystem an den Regalstützen gehalten. Ein befreundeter Schlosser hat mir dabei geholfen, sie so anzubringen. Die Idee mit den Magneten kommt jedoch von mir“, merkt sie stolz an.
Die Konstruktion sieht nicht nur schön aus, sie ist auch überaus funktionell: Denn zum Wohnraum hin dienen die Regale als Bücherwände, zum Atelier hin – in U-Form aufgestellt – als idealer Abstellbereich für unzählige Utensilien und Materialien. Und diesen Platz braucht Tanja Dipner, denn ihre Kunst reduziert sich nicht auf maritime Motive in Acryl auf großflächigen Leinwänden. Zuletzt hat sie eine Plexiglasinstallation für eine Werbeagentur kreiert. „Als nächstes möchte ich das Thema ,Bedrohung der Meere durch Plastikmüll‘ in einer Installation darstellen“, kündigt die Künstlerin an.
Wenn sie nicht gerade ihren Inspirationen nachgeht, verschönert Tanja Dipner für Kunden Bettumrandungen und Stühle für Kinder liebevoll mit Taufsprüchen, Gedichten und anderen Motiven. Mit im Programm sind Tapeten, Wandmalereien Bettwäsche, Vorhänge und Teppiche. Dafür hat sie mit ihrem Mann die Firma Goldprinz (www.goldprinz.de) gegründet.
Zusammen begeben sich die beiden auch gern auf Entdeckungsreisen – nicht selten mit dem Resultat, dass sie Ausrangiertes wie besagte Briefkästen aus Antwerpen oder ein ausgemustertes Turnhallenpferd bei Trödlern entdecken – und diese Dinge dann aufarbeiten. „Wir lieben Möbel im Vintage-Stil. Wenn wir uns streiten, wird es Zeit, dass wir uns auf Reisen begeben“, sagt die Hamburgerin lachend.
Auch sonst sind die beiden Hamburger daran interessiert, ihren Alltag aufzulockern: Dann und wann vermieten sie ihre Fabriketage für Shootings oder Werbeaufnahmen. So erklärt sich auch die mit Kupferplatten verkleidete Wand im hinteren Teil der Etage, eigenhändig von Tanja Dipner mit etwa 800 Nieten angebracht. „Kupfer macht sich als Hintergrund einfach gut bei Shootings, zumal wir dieses Material auch für die Verkleidung der Rohre an der Decke und den Wänden eingesetzt haben“, erklärt die Hausherrin. Muss man noch erwähnen, dass auch die Leuchten in der Küche, entdeckt auf einer Reise in Schweden, aus Kupfer sind? Blickfang in diesem Bereich der Etage ist übrigens eine Galionsfigur, umfunktioniert zur Halterung für eine moderne Leuchte über der schönen alten Massivholzplatte, die als Esstisch dient. Zusammen mit den türkisfarbenen Tresenstühlen und der selbst gebauten Sitzbank wirkt dieser Bereich ein wenig wie unter Deck eines Schiffes. Bewusst gewollt, denn Tanja Dipner ist groß geworden mit Nähe zu Hafen und Elbe. „Deshalb überwiegen in meiner Kunst auch die maritimen Motive“, sagt die Hamburgerin.
Gleichwohl hat sie bei all dem die Praxistauglichkeit nicht aus den Augen verloren. Das beweisen kleine und größere Einbauten. Da sind die nachträglich von einem Tischler eingebrachten Einschübe für Glasbehälter in der Küchenwand, genutzt für Gewürze und Krimskrams, der halt so anfällt und den man eigentlich nicht sehen möchte. Sowie der ebenfalls nachträglich eingelassene, aus Leichtbauwänden erstellte Kubus, der – weil innen hohl – als Abstellkammer für allerlei Haushaltsgeräte dient. Mit ihm entstanden zugleich Wände, die beispielsweise das Wohnzimmer vom Flur und von der Küche abtrennen, und die 260 Quadratmeter Fläche räumlich einteilen.
Noch etwas fällt auf: Nahezu alle Möbel stehen auf Rollen. Die Erklärung dafür ist ebenfalls praktischer Natur. „So können sie bei Shootings auf Wunsch schnell verschoben werden“, sagt Dipner und lächelt verschmitzt. „Das bedeutet dann zwar für ein bis drei Tage ein ungeheures Chaos, aber ich liebe das, gerade, weil ich ja auch viel allein in meiner Werkstatt bin.“ Und dann gesteht sie freimütig: „Als Künstler hat man immer irgendwie Existenzängste. Da ist es gut, eine zusätzliche Einnahmequelle zu haben.“
Auf Reisen werden Leuchten gekauft – nicht Schuhe, wie unter Frauen üblich
Was sagt zu all dem eigentlich Tochter Antonia? „Die findet das mittlerweile alles ganz aufregend“, sagt Tanja Dipner. Anfangs hätte sie zwar lieber in einem Haus gewohnt mit Treppenaufgang à la Hollywood, „den man zu Weihnachten mit Lichterketten schön inszenieren kann“, doch mittlerweile habe sie diese Wunschvorstellung ad acta gelegt. „Eben doch ganz meine Tochter“, sagt sie strahlend. Gelebt werde nach dem Motto: stetiger Wandel. „Da ich immer neue Dinge auf Reisen entdecke, kann ich mich leicht von vielem trennen“, sagt die Künstlerin. Zurzeit überlege sie, einen rosafarbenen Leuchtenschirm, ergattert in den USA, aufzuarbeiten und damit den alten auf dem Küchentresen zu ersetzen. Und aus den runden Elementen aus Kristallglas, ebenfalls in den USA entdeckt, will sie Füße für Tischleuchten machen. „Andere Frauen mögen ihre Koffer mit Schuhen füllen, ich fülle sie mit solchen Dingen. Das ist für mich Shopping, und wer will, kann manches kaufen. Ich freu mich über Besuch“, sagt Tanja Dipner.