Hamburg. Die Bindungstheorie revolutionierte die Psychologie der Beziehungen und warf ein neues Licht auf Beziehungsdynamiken. Ein Überblick.
Menschen unterscheiden sich nicht nur in ihren Charaktereigenschaften, sondern auch in ihren Bindungstypen. Schon in den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder Bindungsmuster, die auf Erfahrungen mit ihren ersten Bezugspersonen basieren und das Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen prägen. Diese frühkindlichen Bindungserfahrungen beeinflussen maßgeblich, wie Menschen später in Partnerschaften und Freundschaften auf Nähe, Distanz und Konflikte reagieren. Das Verständnis der eigenen Bindungstypen kann dabei helfen, das eigene Verhalten in Beziehungen besser einzuordnen.
Bindungstheorie: Man unterscheidet zwischen vier verschiedenen Beziehungstypen
Die Bindungstheorie, die sich mit verschiedenen Beziehungstypen auseinandersetzt, geht auf den Psychoanalytiker John Bowlby zurück. Als eigenständige Disziplin der Psychologie entwickelte sie sich im 20. Jahrhundert. Bowlby untersuchte vor allem die Rolle des Urvertrauens, das die Kinder bereits im ersten Lebensjahr aufbauen und welches die späteren Beziehungen beeinflusst.
Mary Ainsworth, eine Psychologin, die die von Bowlby entwickelte Bindungstheorie untersuchte, entwickelte den Fremde-Situation-Test, um die Bindungsfähigkeit von Kindern zu analysieren. Dazu wurden Kinder von ihren Bezugspersonen kurzzeitig getrennt und mit einer unbekannten Person in einem Raum gelassen. Wie die Kinder auf die Trennung reagierten, sollte Aufschluss darüber geben, welche Bindungsmuster sie entwickelt hatten. Anhand dieses Experiments konnte die Psychologin vier verschiedene Bindungstypen identifizieren.
Beziehungstypen erkennen: Der sichere Bindungstyp
In Ainsworths Experiment konnten sich Kinder mit sicherem Bindungsstil ohne Probleme von ihren Bezugspersonen trennen. Sie reagierten zwar mit Weinen oder Schreien, konnten sich jedoch schnell beruhigen, sobald die Bezugspersonen zurückkehrten. Menschen mit sicherem Bindungstyp haben laut Ainsworth keine Schwierigkeiten, Nähe und Vertrauen zu anderen Personen aufzubauen. Sie kommunizieren offen über ihre Gefühle und entwickeln selten eine emotionale Abhängigkeit von ihren Partnern.
Der ängstliche Bindungstyp
Kinder, die dem ängstlichen Bindungsstil zugeordnet wurden, zeigten in Ainsworths Studie nicht nur Angst und Verunsicherung, sondern auch eine stärkere Abhängigkeit von ihren Bezugspersonen. Nach der Trennung konnten sie sich erst beruhigen, sobald ihre Bezugsperson wieder anwesend war.
Im Erwachsenenalter neigen ängstliche Bindungstypen häufig zu einem negativen Selbstbild und einer hohen Angst vor Verlust und Untreue. In ihren Beziehungen sind sie stark auf Bestätigung angewiesen und haben Schwierigkeiten, mit Zurückweisung und Ablehnung umzugehen. Selbst kürzere Trennungen führen bei ihnen zu erheblicher Verunsicherung.
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Der vermeidende Bindungstyp
Kinder, bei denen die Psychologin den unsicher-vermeidenden Bindungsstil feststellen konnte, hatten keine größeren Schwierigkeiten mit der Trennung von der Mutter. Sie zeigten keine Abneigung gegenüber der fremden Person und spielten einfach weiter, obwohl sie innerlich beunruhigt wirkten. Interessanterweise lehnten sie später körperliche Nähe ab und reagierten auf ihre Bezugsperson mit Ignoranz.
Vermeidende Beziehungstypen tun sich schwer damit, körperliche Nähe zuzulassen und haben ein stark ausgeprägtes Bedürfnis, genug Distanz zu wahren. Zudem fühlen sie sich schnell eingeengt und versuchen in ihrem Beziehungsalltag, Konflikte zu vermeiden.
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Der desorganisierte Bindungstyp
Ähnlich wie bei Kindern mit vermeidendem Bindungstyp, konnte die Psychologin bei Kindern mit desorganisiertem Beziehungstyp innere Unruhe und ein erhöhtes Stresslevel beobachten. Nach der Trennung von der Mutter zeigten sie aggressive Verhaltensweisen und wechselnde Stimmungslagen.
Im Erwachsenenalter macht sich der desorganisierte Bindungstyp durch impulsive und unvorhersehbare Verhaltensweisen bemerkbar. Menschen, die man diesem Beziehungsstil zuordnen kann, können widersprüchliches Verhalten zeigen, da sie zwischen ihren Bedürfnissen nach Nähe und Distanz ständig hin- und hergerissen sind. Zudem sehen sie sich und auch andere Menschen eher negativ, was es ihnen erschwert, in zwischenmenschlichen Beziehungen Vertrauen aufzubauen.