Berlin. DM oder Rossmann verkaufen immer mehr Selbsttests, etwa für die Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels. Wie sie funktionieren und was sie bringen.

Vitamin D ist wichtig für die Gesundheit. Eine mangelhafte Versorgung gefährdet Knochen, Muskeln oder schwächt die Abwehrkräfte. Für die Messung ihres Vitamin-D-Spiegels müssen Patientinnen und Patienten nicht mehr zwangsläufig zu einem Arzt oder einer Ärztin. Mit Bluttests aus dem Drogeriemarkt können sie den Wert des Prohormons selbst bestimmen lassen. Wie funktionieren diese Tests? Und wie urteilen Mediziner darüber? Ich, Wissens-Redakteur in der FUNKE Mediengruppe, habe es ausprobiert.

Die Gebrauchsanweisung ist gefaltet auf die Größe eines Reisepasses. Vier Mal aufklappen, dann zeigen sich 20 Anleitungsschritte in Wort und Bild. Darüber hinaus stehen dort Informationen zum Inhalt der Testbox und Warnhinweise: Nicht anwenden bei Hepatitis und HIV zum Beispiel. Oder vor Kinderhänden schützen.

Vitamin D: So kann man einen Mangel selbst testen

Vor dem Test muss ich mich auf der Internetseite des Anbieters registrieren und dabei Name, Geschlecht. E-Mail-Adresse sowie – freiwillig – mögliche Krankheiten angeben. Dann tragen ich die Identifikationsnummer des Tests ein, damit er zugeordnet werden kann.

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Das Testkit enthält Alkoholtupfer, zwei Pflaster, eine Trockenblutkarte, zwei Lanzetten zum Piksen der Finger, eine Testkarte mit Aufkleber und einen Rücksendeumschlag. Kosten: 19,95 Euro. Die Anweisungen sind verständlich beschrieben und skizziert.

Erst Hände waschen, dann den linken Arm fünf bis zehn Mal in großen Schwüngen kreisen, um die Blutzirkulation anzuregen, Ring- oder Mittelfinger der linken Hand desinfizieren, mit einer der Lanzetten zustechen. Hand unterhalb des Herzens halten und den gestochenen Finger von der Handinnenfläche hin zur Fingerspitze massieren, bis sich Blutstropfen bilden. Den ersten abwischen, die nächsten drei Tropfen auf die Trockenblutkarte in die Markierungen fallen lassen.

Dann den Identifikationscode auf die Karte kleben, diese zwei bis drei Stunden trocknen lassen, in einen Verschlussbeutel geben und in den Rücksendeumschlag stecken. Per Post geht es zum Hersteller. Das Porto zahlt der Empfänger.

Vitamin D ist kein Vitamin

„Der Test dient der Konzentrationsbestimmung von 25-OH-Vitamin D3, OH2-Vitamin D3 und Vitamin D2 sowie dem Verhältnis dieser in humanem Kapillarblut“, heißt es in der Gebrauchsanweisung. „Leider ist es nicht möglich, Blutproben zu analysieren, die weniger als die erforderliche Menge an Blut enthalten.“

Medizinisch betrachtet ist Vitamin D kein Vitamin. Es ist der übergeordnete Begriff für eine Gruppe fettlöslicher Prohormone, die Calciferole. Diese regulieren nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung den Kalzium-, Phosphat- und weitere Stoffwechselvorgänge im Körper. 80 bis 90 Prozent davon stellt der Mensch selbst her mittels UV-B-Strahlung des Sonnenlichts.

In Herbst und Winter sind nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung in Deutschland zu gering, um ausreichend Vitamin D im Körper zu bilden. Der Organismus greift dann auf die in Fett und Muskeln gespeicherten Reserven zurück. Aber nicht immer reicht das aus, um die empfohlene Konzentration von mindestens 30, besser 50 Nanomol pro Liter Blutserum (nmol/l) zu erreichen.

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„Wert liegt unterhalb des Normalbereichs“

Nach Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszentrums haben bis zu 70 Prozent der Menschen in Deutschland zumindest in der dunklen Jahreszeit eine suboptimale Versorgung. Das Robert Koch-Institut (RKI) geht nach Auswertung einer Langzeitstudie von etwa 55 Prozent aus. Und was hat die Analyse meines getrockneten Bluts ergeben?

Nachlesen kann ich das fünf Tage nach dem Posteinwurf im Internet: Per Mail kommen die Nachrichten: Test angekommen, Test im Labor, Test aufgewertet und samt Bericht bereit zum Einsehen.

Der Hersteller erklärt mir darin ausführlich, wie er Vitamin D3, D2 und das Gesamtvitamin D bestimmt. Ausgewertet wurde die Probe in einem medizinischen Fachlabor, das sich laut Internetrecherche in Polen befindet. Der gemessene Vitamin-D-Wert beträgt 16,78 ng/ml oder umgerechnet etwa 41 nmol/l . Zu sehen ist der Wert auch auf einer Art Tachometer, die Nadel steht im gelben Bereich.

Dieser Vitamin-D-Wert ist der Goldstandard

In der Gesamtempfehlung heißt es dann: „Der Wert des 25(OH)D ist so etwas wie der Goldstandard, um zu beurteilen, ob Sie genug Vitamin D haben. Der Wert setzt sich zusammen aus dem über die Nahrung aufgenommenen 25(OH)D2 und dem durch Lichteinstrahlung gebildeten 25(OH)D3. Das 25(OH)D zeigt Ihnen also, wie gut Ihre Versorgung aus allen Vitamin D-Quellen ist.“

Der 25-OH-D-Wert des eingeschickten Bluts liegt unter 20 ng/ml oder 50 nmol/l. „Damit sind Sie nicht optimal versorgt“, heißt es in dem Bericht. „Wir empfehlen, die niedrigen Werte mit Nahrungsergänzungsmitteln auszugleichen und Ihren Spiegel nach einiger Zeit erneut zu kontrollieren.“

Eine umgekippte Medikamentendose, aus der gelbe Kapseln rausrollen.
Suboptimal versorgt? Testhersteller empfiehlt ein Nahrungsergänzung. © iStock | batuhan toker

Angebot einer kostenlosen Telefonberatung

Die entsprechenden Vitamin-D-Präparate gibt es auf der Internetseite des Testanbieters einen Klick entfernt zu kaufen. Bei Fragen kann ich einen Termin für eine 15-minütige kostenlose telefonische Beratung buchen. „Unsere Ernährungswissenschaftler*innen warten darauf, Ihnen bei Ihren Symptomen zu helfen, Unklarheiten zu klären und Fragen zur Einnahme und Dosierung von Supplementen zu beantworten.“

Darüber hinaus heißt es: „Der Test ersetzt keine ärztliche Beratung oder Diagnose.“ Das Ergebnis sei kein Grund zur Sorge. „Zu niedrige oder zu hohe Vitamin-D-Werte bedeuten nicht gleich, dass Sie krank sind.“ Bei Beschwerden solle man Arzt oder Ärztin um Rat fragen.

Auch für mögliche Abweichungen zu Messergebnissen beim Arzt liefert der Bericht eine Erklärung: „Bedauerlicherweise gibt es in Deutschland bei einigen Messungen kein einheitlich festgelegtes Messverfahren.“ Jedes Labor könne frei entscheiden, welche zuverlässige und anerkannte Methode es anwende.

Fachgesellschaft beobachtet wachsendes Angebot

Das führe unter anderem dazu, dass jedes Labor „eine Streuung in den Messergebnissen hat“. So könne es insgesamt leider zu sehr unterschiedlichen Messergebnissen kommen. „Folglich sind nur Vergleiche zwischen identischen Testverfahren und Testbedingungen sinnvoll.“ Was aber bringt der Test dann eigentlich, wenn er die Beratung beim Arzt nicht ersetzt und es eine Streuung in den Ergebnissen der Labore gibt?

Selbsttests aus dem Drogeriemarkt gibt es nicht nur für Vitamin D, sondern auch für Testosteron, Cortisol oder Östrogen. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) beobachtet ein wachsendes Angebot. Einer der bei dm oder Rossmann angebotenen Vitamin-D-Tests verspricht sogar ein Ergebnis innerhalb von zehn Minuten. Ein Tropfen Blut auf eine Kassette tropfen, die so aussieht wie die eines Corona-Schnelltests. Anschließend ließe sich an einem Strich ablesen, ob ein Vitamin D-Mangel vorliege. Die Kosten: 6,95 Euro.

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Die DGE sieht diese Entwicklung skeptisch. Das gilt für Selbsttests im Allgemeinen und für die des Vitamin-D-Status im Besonderen: „Die Vitamin-D-Bestimmung ist nicht trivial. Es gibt dabei sehr viele Störfaktoren. Selbst für den Fall, dass die Probe mit einer anerkannten Labormethode untersucht wird, ist fraglich, wie gut diese bei einer Trockenblutprobe funktioniert“, sagt Prof. Stephan Scharla, Sprecher der DGE-Sektion Knochen- und Mineralstoffwechsel.

„Kann mir nicht vorstellen, dass es Studien gibt“

Den Test per Bestimmungskassette hält der Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie aus Bad Reichenhall sogar für „indiskutabel“. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es Studien gibt, die eine vergleichbare Zuverlässigkeit dieser Tests mit der Auswertung einer Blutprobe im Fachlabor nachweisen“, sagt Scharla.

Der Endokrinologe empfiehlt zur Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels den klassischen Weg: Blutabnahme bei Arzt oder Ärztin samt Analyse in einem zertifizierten Labor. Dies koste für Selbstzahler alles in allem etwa 30 Euro, und sei damit auch nur zehn Euro teurer als ein Trockenblut-Selbsttest aus dem Drogeriemarkt. Scharla: „Wenn ich schon Geld dafür ausgebe, dann will ich doch auch ein validiertes Ergebnis haben. Ich würde eher einem klassischen Labor samt klinisch, chemischer Prüfmethode vertrauen.“