Berlin. Vitamin D soll das Risiko senken, an Krebs zu sterben. Kritiker warnen jedoch. Für Menschen über 50 gibt es jetzt eine klare Empfehlung.
Die tägliche Einnahme von Vitamin D soll das Risiko senken, an einer Krebserkrankung zu sterben. Kritiker hingegen warnen vor den möglichen Gefahren einer Überdosierung. Wer hat recht? Eine neue Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg gibt Hinweise.
Vor allem in Herbst und Winter haben nach Einschätzung des DKFZ bis zu 70 Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einen leichten Vitamin-D-Mangel. Dieser resultiere daraus, dass sich die Menschen weniger im Freien aufhielten und die UV-B Strahlung der Sonne, die für die Bildung des Vitamins in der Haut entscheidend ist, kaum noch auf der Erde ankommt.
Die UV-B-Strahlung trifft unseren Planeten erst wieder stärker bei Frühlingsanfang. Und bis dahin zehrt der Körper seine Vitamin-D-Reserven auf. Durch die Ernährung allein ist es sehr schwer, die Vitamin-D-Speicher ausreichend aufzufüllen. Mit Ausnahme von fettem Fisch gibt es keine Nahrungsmittel, die einen hohen Vitamin-D-Gehalt aufweisen. Die Menge in Eiern, Milchprodukten oder Pilzen zum Beispiel ist sehr gering.
Vitamin D: Gut für Knochen, Muskelkraft und Immunsystem
Der Vitamin-D-Status eines Menschen wird anhand der Konzentration des 25-Hydroxy-Vitamin-D im Blutserum erhoben. Als Schwellenwert für einen Mangel gilt ein Wert von 30 Nanomol pro Liter (nmol/l) oder 12 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Ebenfalls nicht optimal ist ein Wert von unter 50 nmol/l (= 20 ng/ml).
Vitamin D reguliert nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung den Kalzium-, Phosphat- und weitere Stoffwechselvorgänge im Körper. Dadurch stärke es die Knochenstabilität und sei gut für Muskelkraft und Immunsystem. Laut Studien des DKFZ‘ kann Vitamin D zwar keine Krebserkrankungen verhindern, könnte aber das Risiko senken, an diesen zu sterben.
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„Bei Krebserkrankungen und -therapien kann es zu einer Überaktivität des Immunsystems kommen, was viele wichtige Organe schädigt. Vitamin D ist an der Regulation des Immunsystems beteiligt und kann dies vermutlich reduzieren“, erklärt Ben Schöttker, Epidemiologe am DKFZ, im Gespräch mit dieser Redaktion. Zudem gebe es deutliche Hinweise dafür, dass Vitamin D das Tempo des Wachstums von Tumoren hemmen kann.
Effekt für Menschen mit einem Mangel wohl noch größer
Um die Wirksamkeit von Vitamin D auf die Krebssterblichkeit in der Bevölkerung zu untersuchen, haben Schöttker und Kollegen vor etwa anderthalb Jahren eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, bei der sie 14 Studien höchster Qualität mit etwa 105.000 Teilnehmern identifizierten. In der Zusammenfassung von zehn Untersuchungen mit täglicher Einnahme ermittelten sie eine statistisch signifikante Verringerung der Krebssterblichkeit um zwölf Prozent.
„Diese Reduktion haben wir bei ungezielten Vitamin-D-Gaben an Personen mit und ohne Vitamin-D-Mangel beobachtet“, so Schöttker. „Wir können daher davon ausgehen, dass der Effekt für diejenigen Menschen, die tatsächlich einen Vitamin-D-Mangel aufweisen, erheblich größer ist.“
Nach derzeitiger Studienlage schütze eine Vitamin-D3-Einnahme also wahrscheinlich nicht davor, an Krebs zu erkranken, könne aber die Wahrscheinlichkeit senken, daran zu versterben, so Schöttker. Am meisten profitierten Menschen ab einem Alter von 70 Jahren. Außerdem zeigte sich der Effekt am deutlichsten, wenn bereits vor der Krebsdiagnose täglich Vitamin D eingenommen worden war.
Keine Anzeichen für Nierensteine oder Gefäßverkalkung
Bisher unbeantwortet war allerdings die Frage zu den möglichen Risiken einer Überdosierung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung etwa empfiehlt Erwachsenen, dauerhaft nicht mehr als 20 Mikrogramm oder 800 Internationale Einheiten (I.E.) pro Tag einzunehmen. Wer mehr Vitamin D schlucke, könne der Gesundheit schaden. Auch die Verbraucherzentralen warnen davor.
Im Mittelpunkt der Befürchtungen steht dabei die bekannteste Funktion von Vitamin D: die Steigerung der Aufnahme von Kalzium aus dem Darm. Bei einer hohen Vitamin-D-Versorgung, so die Annahme, komme es im Körper zu einer sogenannten Hyperkalzämie, einem stark erhöhten Kalzium-Spiegel. Dieser könnte die Entstehung von Nierensteinen und Arterienverkalkung samt eines erhöhten Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisikos zur Folge haben.
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„Die Bevölkerung kann sich in der Drogerie Präparate mit sehr hohen Dosen von Vitamin D kaufen. Deshalb und auch mit Hinblick auf unsere Empfehlung zur täglichen Einnahme war es schon wichtig zu untersuchen, wie hoch das Risiko einer Überdosierung ist“, sagt Ben Schöttker.
„So viel fetten Fisch kann eigentlich niemand essen“
Gemeinsam mit der DKFZ-Wissenschaftlerin Sha Sha untersuchte der Epidemiologe deshalb erstmals systematisch die Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen Vitamin D-Spiegeln im Blutserum und gesundheitlich relevanten Aspekten des Kalziumstoffwechsels. Dazu griffen sie auf die britische Biobank zu, die Gesundheitsdaten von etwa einer halben Million Briten im Alter von 40 bis 69 Jahren enthält. Etwa vier von 100 Biobank-Teilnehmern berichteten, dass sie regelmäßig Vitamin D-Präparate einnehmen und etwa 20 von 100 gaben an, täglich Multivitaminpräparate einzunehmen, die niedrig dosiertes Vitamin D enthalten.
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„Im Ergebnis haben wir keine Probleme durch Überdosierung für klinisch relevante Erkrankungen wie Arteriosklerose oder Nierensteine gefunden“, sagt Schöttker. Diese Ergebnisse seien auf Deutschland übertragbar. Unerwünschte Wirkungen seien in klinischen Studien erst ab einer Tagesdosis von 10.000 I.E. beobachtet worden. In der EU liege die übliche Vitamin-D-Dosierung aber zwischen 400 und 4000 I.E. pro Tag.
Als Fazit bekräftigen Schöttker und Sha die Empfehlung, dass man seinen Vitamin D-Serumstatus kennen sollte. Bei einem nachgewiesenen Mangel sollten Menschen im Alter über 50 Jahre, ab dem das Krebsrisiko stark ansteigt, eine übliche Dosis Vitamin-D täglich einnehmen, um diesen auszugleichen. Am besten lässt man die Dosierung durch den Hausarzt festlegen. Allein über die Ernährung sei ein Mangel im Winter kaum auszugleichen, sagt Schöttker. „So viel fetten Fisch kann eigentlich niemand essen.“