Hamburg. Immer häufiger werden Menschen als „toxisch“ bezeichnet. Welche Manipulationstechniken wenden sie am meisten an? Psychologen erklären.

Wer sich immer in die „falsche“ Person verliebt, der sollte rechtzeitig auf bestimmte Warnzeichen achten und entsprechend reagieren – toxische Menschen können offenbar bereits bei den ersten Dates identifiziert werden: Zwei Beziehungsexperten erklären, wie man Manipulationstechniken frühzeitig erkennen kann.

Psychologen klären auf: Was bedeutet „toxisch“ wirklich?

In früheren Zeiten bedeutete der aus dem Griechischen stammende Begriff „toxikòn“ eine Art „Pfeilgift“. Damals tauchten die Krieger ihre Bogenspitzen in das Gift „toxikòn phármakon“ und vergifteten damit ihre Feinde.

Heutzutage werden Menschen als toxisch bezeichnet, die aufgrund ihrer schädlichen Verhaltensweisen das Leben anderer Menschen „vergiften“. So spricht man immer öfter von „toxischen Beziehungen“ oder auch „toxischer Arbeitsumwelt“. Beides möchte man möglichst vermeiden, denn beides ist dysfunktional und hat einen negativen Einfluss auf das unmittelbare Umfeld.

Doch welche Eigenschaften kann man als toxisch bezeichnen? Laut Verena Düttmann, psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Therapieplattform „HelloBetter“, versuchen Menschen mit toxischen Merkmalen, ihre eigenen Interessen um jeden Preis durchzusetzen, ohne dabei Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu nehmen. Zudem seien sie nicht in der Lage, Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu tragen und würden die Schuld für die eigenen Misserfolge auf andere Menschen verlagern.

Warnsignale: Wie zeigt sich toxisches Verhalten in Beziehungen?

Wer immer wieder Pech in der Liebe hat und sich auf „den Falschen“ oder „die Falsche“ einlässt, sollte besonders in der Kennenlernphase auf bestimmte Warnsignale achten. Psychotherapeutin Düttmann stellt fest, dass man toxische Verhaltensweisen an charakteristischen Manipulationstechniken festmachen kann.

So komme es am Anfang der Beziehung öfter vor, dass man mit Liebe und Zuneigung überschüttet wird – auch „Love Bombing“ genannt. Kurz danach zeigen sich die toxischen Personen häufig von einer anderen Seite und fangen demnach an, seinen Partner zu kritisieren und zu demütigen, so Düttmann.

Ein Paar streitet sich.
Toxische Verhaltensweisen zeigen sich oft durch verschiedene Manipulationstechniken.  © iStock | StefaNikolic

„Das Wechselspiel von Verletzungen und anschließenden intensiven Versöhnungen kann leidenschaftlich und anziehend sein – regelrecht süchtig machen“, erklärt Düttmann. Dazu kommen oft gezielte Manipulationen durch Lügen und eine zwanghafte Kontrolle seines Partners. Das Geschlecht spiele beim toxischen Verhalten keine große Rolle – es betreffe sowohl Frauen als Männer, erklärt die Psychotherapeutin. Allerdings nutzen Frauen demnach eher emotionale Manipulation, während man bei Männern überwiegend dominantes Verhalten beobachten könne.

Unglückliche Beziehung: Warum kann ein toxischer Partner trotzdem attraktiv wirken?

Warum Menschen eine toxische Partnerwahl treffen, kann an Erfahrungen liegen, die sie bereits in ihrer Kindheit gemacht haben. So können toxische Verhaltensweisen einem Menschen sogar ein Sicherheitsgefühl vermitteln, wenn sie in der Vergangenheit mit ähnlichem Verhalten in Berührung gekommen sind: „Die Anziehung zu toxischen Menschen kann aus früheren Erfahrungen herrühren“, erklärt Stefan Junker, Psychologe und Paartherapeut von der Online-Selbsthilfe-Plattform „couch:now“.

Neben früheren Erfahrungen können laut wissenschaftlichen Untersuchungen auch ein geringes Selbstwertgefühl und unsichere Bindungsstile zur Folge haben, dass Menschen toxische Partner attraktiv finden. Einer Studie aus den USA zufolge spricht man in dem Fall oft von dem psychologischen Phänomen der „Selbstbestätigung“. Demzufolge suchen sich Menschen mit einem negativen Selbstwertgefühl Partner aus, die das geringe Selbstwertgefühl mit toxischen Verhaltensweisen verstärken.

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Warum entwickeln Menschen toxische Verhaltensweisen?

Auch die Ursachen für das Entstehen von toxischem Verhalten kann man Experten zufolge in der Vergangenheit finden. So entwickeln beispielsweise Menschen, die bereits eine vergiftete Beziehung zu den eigenen Eltern hatten, häufig dysfunktionale Verhaltensweisen in ihren späteren Beziehungen. „Sie zeigen, was ihnen vorgelebt wurde und was ihnen vertraut ist. Sie kennen Beziehungen einfach nicht anders“, sagt Düttmann.

Doch es gibt auch weitere Gründe für toxisches Verhalten – wie fehlende Stress- oder Traumabewältigung und ungelöste innere Konflikte, erklärt Junker. Die Betroffenen überwänden eigene Unsicherheiten in dem sie versuchen, Kontrolle über ihre Mitmenschen ausüben.

Psychologe: Die Bezeichnung als „toxisch“ ist problematisch

Einen Menschen als „toxisch“ zu bezeichnen, findet Junker dennoch fraglich: „Der Begriff ‚toxisch‘ suggeriert ein Schwarz-Weiß-Denken, das der Komplexität menschlicher Beziehungen nicht gerecht wird.“ Um komplexe Beziehungskonflikte zu lösen, müsse man sie aus verschiedenen Perspektiven analysieren. „Eine pauschale Bezeichnung als ‚toxisch‘ übersieht diese Hintergründe und die Möglichkeit der Veränderung“, so Junker.