Hamburg. Sönke Plautz von der Becking Kaffeemanufaktur erklärt, was man alles über Kaffee wissen muss – und wer lieber Tee trinken sollte.
Es braucht nicht viel für einen perfekten Kaffee: einen Keramikfilter, Filterpapier, Kaffeemehl und heißes Wasser, in kreisenden Bewegungen aufgegossen. Handgefilterter Kaffee sei wieder im Kommen, sagt Sönke Plautz und freut sich darüber. Der Vorstand und Mitinhaber der Becking Kaffeemanufaktur ist zu Gast im Podcast „Schmeckt‘s?“ des Abendblatts.
Der Weg vom Bauingenieur zum Kaffee-Sommelier hängt eng mit der Traditionsrösterei zusammen. Als Helmut Becking keinen Nachfolger fand, beschloss er, die Rösterei, die sein Vater 1928 gegründet hatte, endgültig zu schließen. Doch es kam anders. Es fanden sich drei Enthusiasten, die die jahrzehntelang praktizierte Qualitätsoffensive fortsetzen, darunter Sönke Plautz.
Latte macchiato ein Milchmixgetränk
Er spricht, wenn er guten Kaffee meint, von „Kaffée“ (mit lang gesprochenem e). Dagegen sei „Kaffe“ (lautsprachlich) ein Produkt, bei dem Milch und Zucker zugegeben wird, um es trinkbar zu machen. Varianten wie Latte macchiato nennt er Milchmixgetränke.
„Vor knapp 20 Jahren kam der Trend auf, dass man immer mehr Dosenmilch, Zucker, Süßstoff und so weiter zum Kaffee gegeben hat. Dann kamen die vielen kleinen Röstereien, die den Kaffee langsam rösten. Nach mehr als zwölf Minuten entweicht die Gerbsäure, die die Magenwände angreift. Dieser Kaffee ist magenbekömmlich, und Sie können ihn auch schwarz trinken. Wenn Sie den Geschmack einer guten, möglichst nicht homogenisierten Milch mögen, dieses Cremige, oder das Zuckrige von braunem Zucker (bitte keinen weißen nehmen), dann ist das okay. Wenn Sie die Milch aber in den Kaffee schütten, damit sie ihn trinken können, dann wählen Sie besser Tee.“
Espresso verträglicher als Filterkaffee
Den Tag eines Kaffeegenießers beschreibt Plautz so: Morgens mit einem guten, starken Espresso starten, aus einer Siebträgermaschine. Dann über den Tag in Ruhe zwei, drei handgefilterte Kaffees genießen. Am Nachmittag ersetzt ein Cappuccino den Kuchen – „Zucker mit dem Löffel auf den Schaum gegeben, sodass er langsam absackt.“
Zum Abend bietet sich ein kleiner Espresso an. Er enthalte nur halb so viel Koffein wie ein Filterkaffee: „Beim Espresso haben Sie eine kurze Durchlaufzeit von 20, 30 Sekunden. Dabei ziehen Sie nur die ätherischen Öle aus dem Kaffee und wenig Koffein. Er ist wesentlich verträglicher.“ Beim Handfiltern niemals kochendes Wasser verwenden, sagt der Experte. Nach einer Minute habe es sich auf 92 Grad abgekühlt und damit die perfekte Temperatur erreicht, um die ätherischen Öle aus dem Kaffeemehl zu lösen.
Zwei Varianten beim Handfiltern
Der Fachmann unterscheidet beim Handfiltern zwei Varianten: Wenn das Wasser direkt in die Mitte des Filters gegossen wird (Center-Aufguss), sickert es ganz schnell in die Kanne und hat kaum Zeit, das Koffein aus dem Kaffeemehl zu lösen. Beim Circle-Aufguss wird das Wasser mit kreisenden Bewegungen aufgegossen. Dadurch läuft es verzögert durch den Filter und nimmt mehr Koffein und Aromen auf. Der Kaffee wird wesentlich aromatischer und stärker als beim Center-Aufguss. Am Rund herum heiße aber nicht, „dass Sie zwischen dem Filterpapier und dem gemahlenen Kaffee gießen“, betont Plautz. Dann läuft das Wasser direkt durch den Filter, und es entsteht Blümchenkaffee.
Guter Kaffee wird im Laden fast präsentiert wie Wein. Mit Angaben zum Anbaugebiet, zum Teil sogar mit Jahrgangsnennung. „Wenn da ,2016‘ steht, lassen Sie ihn stehen“, rät der Kaffeegourmet. Kaffee sollte möglichst aus dem aktuellen Jahr stammen, maximal zwei Jahre alt sein. Das Anbaugebiet müsse nicht unbedingt genannt sein. In jeder Region werde guter und schlechterer Kaffee erzeugt. Auch das Land sei noch kein Qualitätsmaßstab: „Es gibt in Brasilien grausame Kaffees und Spitzenkaffees. Wenn man weiß, aus welchem Dorf der Kaffee kommt, und sich auskennt, dann hilft das schon eher.“
Arabica garantiert nicht gute Qualität
Kaffee wächst rund um den Äquator. Die bekanntesten Sorten sind Arabica, Robusta und Liberica. Dazu gibt es 15 bis 20 weitere Sorten. Der Arabica ist der Ursprungskaffee. Robusta wurde vor knapp 200 Jahren entdeckt. Er enthält doppelt so viel Koffein wie der Arabica und hat einen wesentlich höheren Gerbsäureanteil. Plautz: „Wenn man den nicht gut röstet, bleibt das alles drin, und man wird nervös. Oder kann nach 15 Uhr keinen Kaffee mehr trinken, um abends schlafen zu können.“
Die Arabica-Bohne sei etwas flacher und ihr Geschmack sehr vielfältig. Arabica bedeute aber nicht automatisch hohe Qualität. „Es ist eine Gattung. Auch dort gibt es grausame Qualitäten.“ Pflanzen, die wie Wildkräuter wuchern, liefern hochwertige Bohnen. „Über sehr aufgeräumte Plantagen mit satten roten Böden sind oft Chemiebomber hinweggeflogen“. Kaffeesträucher, die kleiner sind und unter anderen Büschen wachsen, seien ideal, denn Kaffee sei ein Schattengewächs.
Südamerikanische Kaffees schmecken nach Nuss
Zudem spiele die Höhenlage eine Rolle. „Kaffees mit den Bezeichnungen High Grown, Strictly Hard Beans oder auf Deutsch Hochlandkaffees kommen aus Höhen von mehr als 1000 Metern. Sie wachsen langsamer – die sind das Feinste, wahre Aroma-Tresore.“ Die Ursprungskaffees in Äthiopien seien erdig-würzig und fruchtig-säuerlich im Geschmack. Damit sei nicht die magenunverträgliche Gerbsäure gemeint, die bei einem „vernünftigen Kaffee“ herausgeröstet werde.
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Kaffees aus Äthiopien, Kenia oder Sambia müssen stark geröstet werden (Mokka-Röstung), sonst seien sie zu säuerlich – „richtig geröstet sind sie oberstes Qualitätsniveau“. Die mittel- und südamerikanischen Kaffees schmecken nach Nuss und sind sehr sanft, vor allem der brasilianische Kaffee. Der ist auf dem deutschen Markt am stärksten verbreitet.
„Wer schlürft, schmeckt die Eigenschaften"
Er schlürfe den Kaffee, um den vollen Geschmack zu erleben, sagt Plautz. „Im Restaurant protestieren inzwischen meine Söhne, 16 und 18 Jahre alt. Früher ging das. Wenn dann die anderen Gäste guckten, antworteten meine Kinder: Papa darf das, der ist Kaffee-Sommelier. Wer schlürft, schmeckt die Eigenschaften der unterschiedlichen Herkünfte: Ein brasilianischer Kaffee schmeckt unter der Zunge nach Sand und nach Nuss. Ein costaricanischer Kaffee schmeckt an der Seite der Zunge wie eine Weinsäure. Ein Kaffee aus Guatemala schmeckt nur im Gaumen, nicht an der Zunge.“
Im Hamburger Hafen lagern große Mengen Rohkaffee. „Das wichtigste Handelsprodukt ist Erdöl, gefolgt vom Kaffee. Dann kommt lange Zeit nichts. Dann folgt Stahl.“ Der Rohkaffee kommt lose in Containern in Hamburg an. Diese sind mit einem Kunststofftuch ausgeschlagen. Ein Container enthält dann 20 oder 40 Tonnen einer einzigen Rohkaffeesorte. Aber auch die typischen Kaffeesäcke aus Jute werden noch genutzt und auf Paletten transportiert.
Siebträgermaschinen sind die besten Allrounder
Plautz: „In dem Moment, in dem ich den Kaffee röste, muss ich ihn registrieren, abwiegen und sofort versteuern. Mit 2,19 Euro pro Kilo Röstkaffee. Wenn Sie ein Kilo Kaffee kaufen, können Sie die 2,19 Euro abziehen und wissen dann, was er wert ist.“ Auch die Röstung bestimmt den Geschmack. „Die Basis ist ein guter Rohkaffee. Je langsamer er geröstet wird und je tiefer die Temperatur ist, umso besser kann der Kaffee sich entfalten. Das Wichtigste ist, dass die Gerbsäure entweicht. Das können Sie als stechenden Geruch wahrnehmen“, sagt der Kaffeeexperte Sönke Plautz.
Bei der häuslichen Kaffeezubereitung seien Siebträgermaschinen die Allrounder, sie liefern „einen perfekten Espresso, einen Crema-Kaffee und mit der Milchlanze einen Cappuccino. Der Vollautomat mit integriertem Mahlwerk hat den großen Vorteil, dass Sie die Maschine einmal einstellen, und dann funktioniert‘s. Allerdings sind Vollautomaten nach meiner Erfahrung nur perfekt für Kaffee oder für Espresso. Auf beides können sie nicht optimiert werden. Ich rate: Für den Espresso nehmen Sie den Siebträger, für den Kaffee den Handfilter.“