Berlin/Hamburg. Christian Lindner war vor Euphorie kaum zu halten. Katja Suding rückt in die Parteispitze auf. Die Liberalen führen einen FDP-Soli ein.

Erst am Freitagabend wurde die Hamburger FDP-Frontfrau Katja Suding auch in die Bundespitze der Partei gewählt. Schon am nächsten Morgen bringt die Landeschefin der Hansestadt offenbar ihr künftiges Wahlkampfthema ins Gespräch. "Beste Bildungschancen für jedes Kind unabhängig vom Elternhaus, die Abschaffung des Betreuungsgeldes und eine Weiterentwicklung des Ehegattensplittings hin zu einem kinderortientierten Familiensplitting sind uns wichtig", sagte die neue Bundesvize der FDP. Ihre Partei setze auf Bildung.

Die FDP ist die Partei der Steuersenker – aber mit dieser Sonderabgabe ist es den Liberalen um ihren frisch wiedergewählten Chef Christian Lindner ernst. Denn die FDP als Bundespartei ist vor allem auch eines: klamm. So kam es, dass Lindner den Schatzmeister Hermann Otto Solms, 74, bat, eine Solidarumlage einzuführen, einen FDP-Soli. Die Kreisverbände müssen bis 2017 insgesamt 25 Euro zusätzlich pro Mitglied an die Bundespartei überweisen. Damit sollen Wahlkampagnen finanziert werden, die die zuletzt bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen positiven Ergebnisse auch in anderen Ländern und dann im Bund herbeiführen sollen.

Denn die Wahlkämpfe Anfang 2016 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden viel Geld kosten. Aber das sind klassische FDP-Länder. Das muss sein. Nur so ganz war die neue interne Sonderabgabe der Liberalen nicht mit dem ebenso klassischen Motto von Lindner in Einklang zu bringen, der beim Parteitag die Konkurrenz attackierte, die immerhin im Bundestag sitzt: "Der Einzelne wird abkassiert, bürokratisiert, bevormundet und neuerlich auch wieder bespitzelt." So sieht Lindner das politische Klima in Deutschland. "Wir wollen den Einzelnen groß machen und nicht den Staat."

Groß machen will Lindner auch die Hamburger Vorzeige-Liberale Katja Suding, Fraktions- und Parteichefin. Die 39-Jährige wurde als eine von drei Stellvertretern von mit 85,55 Prozent der Stimmen gewählt. Auch die weithin unbekannte Düsseldorfer Kommunalpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wurde für weitere zwei Jahre als stellvertretende Bundesvorsitzende gewählt. Lindner sagte über Suding: „Katja, du bist die Eisbrecherin der Freien Demokraten."

Als das Wahlergebnis für den alten und neuen Vorsitzenden Lindner auf der Videoleinwand erschien, brachte der nur ein Wort heraus: „Wow!“ Da blinkte die Zahl von 92,4 Prozent – so groß ist bei der Wiederwahl des Vorsitzenden der Dank und die Erleichterung der Parteibasis, dass der erst 36 Jahre junge und forsche Lindner die FDP nach dem Rauswurf aus dem Bundestag fast im Alleingang am Leben erhalten hat. Da kann es der Chef auch locker verschmerzen, dass sein erster Vize Wolfgang Kubicki sogar über 94 Prozent abräumt.

Dabei war Lindner nicht immer Liebling des Fußvolks. So hatte er im Dezember 2013 bei seiner Wahl an die Spitze nur 79 Prozent der Stimmen bekommen. Einigen galt er als Teil der alten "Clique" um Guido Westerwelle, Philipp Rösler und Daniel Bahr, Zweifel waren da, ob der Existenzkampf der großen liberalen Partei für den smarten Lindner nicht eine Nummer zu groß sein könnte.

Das ist lange her und spielt am Freitag in der Berliner „Station“, einem alten Postbahnhof, auch keine Rolle mehr. Lindner ist gereift. Er ist ein unbestrittener Anführer, der aber auch im Team spielen kann.

Suding will nach Berlin
Suding will nach Berlin

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    Die Wahlerfolge in Hamburg und Bremen haben der FDP das Gefühl gegeben, in Deutschland doch noch gebraucht zu werden. Ob die Sehnsucht der Bürger bis zur Bundestagswahl 2017 anhält, wird auch vom weiteren Arbeiten der großen Koalition in Berlin und dem Ausgang des Machtkampfes in der AfD abhängen.

    Lindner selbst nennt in seiner Rede zwei Hauptgründe für das wiedergewonnene Vertrauen der Wähler. Zum einen seien die Intrigen in der Parteispitze, die jahrelang das Außenbild der FDP negativ prägten, vorbei. In der neuen Führung werde gelacht und an einem Strang gezogen. „Das kannte ich bisher nicht“, sagt Lindner, der seit 15 Jahren Berufspolitiker ist.

    Zum anderen sei die Partei seriös in der Mitte geblieben und habe auch in ihrer dunkelsten Stunde nach dem Bundestagsabschied der Versuchung widerstanden, den „Euro-Hassern“ von der AfD nur einen Zentimeter hinterherzulaufen. „Schrill und extrem werden, das haben wir anderen überlassen.“ In der Bildungspolitik bereitet Lindner einen 180-Grad-Schwenk vor - mehr Macht für den Bund, weg vom Länderföderalismus. Das kann er leicht fordern, weil die FDP nirgendwo im Land mehr mitregiert. (HA/dpa)