Frankfurt/Hamburg. Die Frau informierte die Polizei. Ehepaar hatte im Baumarkt Chemikalien zum Bombenbau eingekauft. Radrennen in Frankfurt abgesagt.
Am Morgen des 1. Mai steht Bernd Moos-Achenbach doch noch mit einer Pistole in der Hand auf der Straße im Frankfurter Stadtteil Eschborn und drückt ab. Eigentlich war alles abgesagt, eigentlich sollte niemand losfahren. Terroralarm. Die Polizei hatte noch keine Entwarnung gegeben. Dennoch versammeln sich etliche Radfahrer mit ihren Rennrädern am Startpunkt in Eschborn. Moos-Achenbach ist der Organisator des traditionellen Rennens „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“. Alle, die zum Startpunkt kommen, wollen die 206 Kilometer trotzdem fahren, als Privatradler. Und als Zeichen gegen den Terror.
Die Sicherheitsbehörden in Hessen sind in Aufruhr, hektische Stunden und Tage gingen voraus. Verdeckte Ermittler observierten zwei Personen, ein Ehepaar, in und um das Städtchen Oberursel im Taunus. In der Nacht zum Donnerstag griffen Spezialeinheiten zu, schnappten den Mann auf dem Weg kurz vor dem Haus und die Ehefrau in der Wohnung. Im Keller fanden die Polizisten eine selbstgebastelte Rohrbombe, 100 Schuss scharfe Munition, Teile eines Sturmgewehrs G3 und eine Übungsgranate für eine Panzerfaust. Neben drei Litern Wasserstoffperoxid lagerte auch die Chemikalie Aceton in der Wohnung. In Mischung mit Salzsäure entsteht daraus der hochexplosive Sprengstoff TATP, der in der Vergangenheit bereits von islamistischen Terroristen eingesetzt wurde.
Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen hätten die Behörden einen islamistischen Anschlag verhindert, sagte der Polizeipräsident für Westhessen, Stefan Müller, in Wiesbaden. Das Ziel sei möglicherweise das Radrennen in Frankfurt gewesen. Nachts ab vier Uhr sei die Wohnung des Paars durchsucht worden. „Es war bekannt, dass zwei Kleinkinder in der Wohnung sind. Denen ist bei dem Zugriff nichts passiert“, sagte Müller. Sie seien jetzt in der Obhut des Jugendamtes. Das bei dem Paar sichergestellte Material sei geeignet, eine Vielzahl von Menschen zu töten oder zumindest schwer zu verletzen.
Gegen den 35-jährigen Deutschtürken und seine 34 Jahre alte türkische Frau wird nun wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt, wie das hessische Landeskriminalamt (LKA) mitteilte. Beide sitzen seit Freitag in Untersuchungshaft. Halil D. ist der Polizei in 15 Fällen bekannt gewesen, dabei ging es um Betrugs- und Gewaltdelikte. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass die beiden Verdächtigen zur islamistischen Szene gehören.
Verbindungen zur „Sauerland-Gruppe“
Im Rhein-Main-Gebiet haben die radikal-islamischen Salafisten einen ihrer Schwerpunkte in Hessen und Deutschland. Halil D. soll nicht nur gute Kontakte zu Radikalen in Hessen unterhalten. Er hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft vor Jahren auch Verbindung zur „Sauerland-Gruppe“ aufgebaut – eine islamistische Zelle, die 2007 Anschläge geplant hatte und noch rechtzeitig von Sicherheitsbehörden verhaftet werden konnte. Seitdem ist offenbar der nun festgenommene Halil D. auf dem Radar der Ermittler.
Es war nun nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ eine aufmerksame Verkäuferin in einem Frankfurter Baumarkt, die den Polizisten einen wichtigen Hinweis für einen Zugriff gab. Ende März stand das Paar gemeinsam mit seinen beiden Kinder vor ihr an der Kasse. In ihrem Einkaufswagen: drei Liter Wasserstoffperoxid, dazu noch Spiritus. Die Verkäuferin verlangte die Personalien. So ist es bei Chemikalien wie Wasserstoffperoxid gesetzlich vorgeschrieben. Der Mann trug sich in eine Liste ein, unter falschem Namen, wie sich später herausstellte. Die Verkäuferin war misstrauisch, rief die Polizei an. Seit dem beschatteten die Behörden das Paar.
Kurz vor dem geplanten Radrennen am 1. Mai beobachteten verdeckte Ermittler dann, dass sich Halil D. mehrfach in einem kleinen Waldstück zwischen Oberursel und dem Feldberg, der höchsten Erhebung nahe Frankfurt, aufhielt. Das Gebiet liegt am Rand eines Streckenabschnitts des Traditionsrennens: für die Polizei der entscheidende Grund für die Festnahme.
Als am Donnerstag bereits die Pressekonferenz der Radrenn-Veranstalter lief, kam die Nachricht von der Absage durch die Behörden. Obwohl die Verdächtigen gefasst wurden, wollte die Leitung der Polizei kein Risiko eingehen. Zu wenig sei über den Hintergrund der geplanten Tat bekannt: Handelte das Ehepaar auf eigene Faust? Ist es Teil einer Gruppe? War das Radrennen tatsächlich ein mögliches Ziel? Gibt es weitere Ziele? Hinweise darauf gibt es bisher nicht.
Die Absage des Radrennens sei ein drastischer Schritt, aber nötig wegen Hinweise auf eine eventuelle Gefährdung der Bevölkerung, erklärte das LKA in Wiesbaden. Sportler und Veranstalter zeigten sich enttäuscht, äußerten aber Verständnis für die Entscheidung. Polizisten durchsuchten am Freitag ein weiteres Waldstück bei Oberursel, nordwestlich von Frankfurt. Einsatzkräfte würden in dem Forst bei Schmitten-Arnoldshain nach verdächtigen Gegenständen und möglichen Beweismitteln suchen, sagte ein LKA-Sprecher. Nach welchen Gegenständen genau Ausschau gehalten wurde, sagte er nicht.
Für den Organisator des Radrennens, Bernd Moos-Achenbach, ist nach der Absage klar: „Die Veranstaltung wird aus der Sache gestärkt herausgehen, weil viele Menschen sagen, wir lassen uns nicht terrorisieren. Wir werden am 1. Mai nächsten Jahres wieder unser Rennen machen.“ (HA)