Das Demonstrationsverbot in Dresden stößt auf Kritik. Die Empörung in der muslimischen Welt über die Mohammed-Karikaturen flaut unterdessen nicht ab. In Grosny demonstrieren nach Polizeiangaben 800.000 Menschen.
Berlin. Das Demonstrationsverbot für Pegida und andere Gruppen in Dresden ist bei Politikern von Regierung und Opposition kritisch aufgenommen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Montag in Berlin die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer „Einzelfallentscheidung der Sicherheitsbehörden“. Unterdessen kündigte die islamkritische Pegida-Bewegung an, nächste Woche in Dresden wieder auf die Straße zu gehen.
Die Polizei hatte sämtliche Demonstrationen in Dresden für diesen Montag aus Sicherheitsgründen verboten. Das Pegida-Bündnis sagte seinerseits in Absprache mit den Sicherheitsbehörden seinen „Abendspaziergang“ ab. Hintergrund sind Anschlagsdrohungen, die sich gegen Pegida-Gründer Lutz Bachmann richten.
Merkel, die in ihrer Neujahrsansprache die Bürger dazu aufgerufen hatte, sich Pegida nicht anzuschließen, nannte die Demonstrationsfreiheit am Montag ein „hohes Gut“, das geschützt werden müsse. Auch Maas betonte: „Egal was von den Positionen von Pegida zu halten ist, soweit der Protest nicht gegen unsere Gesetze verstößt, ist er durch die Meinungsfreiheit gedeckt.“ Terrordrohungen dürften nicht zur Unterdrückung von Meinungen führen, wobei es für die Entscheidung in Dresden „sicher gute Gründe gab“.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach von einer „Niederlage für die Demokratie“ und forderte, der genauen Begründung für das Verbot noch einmal nachzugehen.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verteidigte dagegen ausdrücklich die Entscheidung. Bei der Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und dem Schutz der Demonstranten habe „der Schutz von Leib und Leben“ überwogen. Tillich betonte, es handle sich um einen „konkreten Einzelfall“, der auf den Montagabend in Dresden begrenzt sei.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warnte ausdrücklich vor weiteren Demonstrationsverboten. Es dürfe nicht die Situation eintreten, „dass eine Demonstration abgesagt wird, nur weil ein Drohbrief geschrieben worden ist“, sagte er. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte im ZDF-„Morgenmagazin“ die Dresdner Entscheidung „total bitter“. Sein Parteikollege Hans-Christian Ströbele forderte in der „tageszeitung“ vom Dienstag, die Grundlagen für die Absage im Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestags zu besprechen.
Pegida kündigte unterdessen auf einer Pressekonferenz in Dresden eine neue Demo für kommende Woche an. „Es wird nächsten Montag offensichtlich wieder eine geben, so ist der momentane Stand“, sagte Pegida-Gründer Bachmann. An einem Sicherheitskonzept werde „mit Hochdruck“ gearbeitet.
Zugleich erklärte sich das Bündnis dialogbereit. Pegida habe „nicht vor, in nächster Zeit weiterhin jeden Monat durch Dresden zu ziehen“, sagte Sprecherin Kathrin Oertel. Vielmehr solle sich die Politik der Anliegen von Pegida annehmen. Geplant seien direkte Gespräche mit „verschiedenen Politikern“. Mit wem genau, ließ sie offen. Fahimi lehnte für die SPD direkte Gespräche mit den Pegida-Organisatoren ab.
In Dresden gehen seit Wochen Montag für Montag tausende Pegida-Anhänger auf die Straße. Vor einer Woche folgten in der sächsischen Landeshauptstadt 25.000 Menschen dem Aufruf. Auch in anderen Städten gibt es inzwischen Pegida-Ableger, die aber bei weitem weniger Zulauf bekommen. Pegida steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“.
Zehntausende Tschetschenen protestieren gegen „Charlie Hebdo“
Zehntausende Tschetschenen haben unterdessen gegen die jüngste Mohammed-Karikatur in der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ demonstriert. Sie marschierten am Montag durch das Zentrum der Regionalhauptstadt Grosny und trugen Plakate mit den Worten: „Hände weg von unserem geliebten Propheten“ und „Europa hat uns nur näher zueinander gebracht“. Die Polizei sprach von 800.000 Teilnehmern, wie die Agentur Interfax meldete. Zu überprüfen war die Zahl nicht. Proteste gab es auch im Iran und in Afghanistan.
Im zu Russland gehörenden Tschetschenien leben vorwiegend Muslime. Regionalchef Ramsan Kadyrow hatte am Freitag auf Instagram geschrieben, wer „Charlie Hebdo“ verteidige, gehöre zu seinen „persönlichen Feinden“. Er hatte mindestens eine Million Menschen zu dem Protest in Grosny erwartet. Am Montag sprach er vor der Menge und trug dabei eine Weste mit der Aufschrift „Wir lieben den Propheten Mohammed“.
„Charlie Hebdo“ hat immer wieder Karikaturen des Propheten veröffentlicht, was viele Muslime als frevlerisch empfinden. Am 7. Januar überfielen zwei islamistische Terroristen die Redaktion in Paris und ermordeten zwölf Menschen. Die verbliebenen Kollegen wollten sich nicht einschüchtern lassen und zeigten in der ersten Ausgabe nach dem Angriff erneut Mohammed auf dem Titelblatt, diesmal mit Tränen in den Augen und dem Spruch „Je suis Charlie“ („Ich bin Charlie“).
Die russische Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor untersagte es mehreren Publikationen, die französischen Karikaturen zu verbreiten. Sie forderte die Medien auf, „andere Methoden zu wählen, um ihre Solidarität mit ihren tragisch getöteten französischen Kollegen auszudrücken“.
Auch im Iran und in Afghanistan protestierten Menschen gegen die Veröffentlichung der Karikaturen. Hunderte Iraner riefen bei einem Protest den Slogan „Tod Frankreich“. Einige der vorwiegend studentischen Demonstranten verlangten die Schließung der Botschaft und die Ausweisung des Botschafters. Sie verbrannten israelische und US-Flaggen. Der Iran hatte den Anschlag auf die Redaktion der Zeitschrift verurteilt. Teheran kritisierte aber auch das neue Titelblatt.
In Dschalalabad demonstriertenmehrere Hundert Afghanen. Auch sie wünschten Frankreich den Tod und verbrannten französische Fahnen. Zudem verlangten sie die Schließung der französischen Botschaft in Kabul und eine Entschuldigung der Regierung in Paris bei allen Muslimen. Es war bereits der dritte Tag in Folge, an dem es in Afghanistan zu Protesten gegen die Zeitung kam. Am Wochenende hatten Muslime auch in mehreren anderen Ländern demonstriert.
Im vorwiegend muslimischen Niger wurden mindestens 45 Kirchen angezündet. Die Regierung rief drei Tage der Trauer aus, nachdem bei den gewalttätigen Protesten seit Freitag zehn Menschen ums Leben gekommen waren. Die Opfer seien in Kirchen und Kneipen gewesen, die von wütenden Protestlern angezündet worden seien, hieß es.
Im Westen wird die neue Ausgabe von „Charlie Hebdo“ hingegen als historisch gewertet. Sie ist bereits millionenfach verkauft worden. Die französische Polizei verlangte nach den Terrorattacken schwerere Waffen und besssere Schutzausrüstung.