Aber bei den Gegendemonstranten seien eben auch Linksextreme, so Kathrin Oertel. Quotenerfolg für Günther Jauchs Pegida-Talkshow. Selbst die Grünen fordern Schutz für Pegida.
Berlin/Dresden/Hamburg. Pegida hat sich einen Platz in den deutschen Talkshows erobert – jetzt auch mit einem Vertreter. Zum ersten Mal trat bei Günther Jauch in der ARD eine Vertreterin der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) im Kreis der etablierten Politiker in der ersten Reihe auf. Kathrin Oertel organisiert die Montags-Märsche von Pegida mit. Organisator Lutz Bachmann ist mit ihr befreundet. Gegen Bachmann gibt es offenbar Morddrohungen. Deswegen wurde die Pegida-Demo für diesen Montag in Dresden abgesagt.
Und angesichts dieser Terrordrohung hat auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Schutz für das islamfeindliche Bündnis gefordert. „Diese Pegida-Demonstration ist widerlich. Aber natürlich haben unsere Behörden dafür zu sorgen, dass auch diese widerlichen Meinungsäußerungen möglich sind“, sagte Hofreiter am Montag im ZDF-Morgenmagazin.
Für Jauchs Sendung interessierten sich immerhin 5,57 Millionen Menschen. Die TV-Quote ist damit leicht überdurchschnittlich für seinen Sonntagabend-Talk. Der Marktanteil lag bei von 18,3 Prozent. Tagessieger in absoluten Zahlen war zuvor der Ludwigshafener „Tatort“ über einen Pferderipper und einen Mord an einem Tierpfleger, den 9,45 Millionen (25,7 Prozent) verfolgten. Das RTL-Dschungelcamp stürzte von mehr als 7 Millionen (am Freitag und Sonnabend) auf 5,64 Millionen, was 21,3 Prozent ab 22.15 Uhr entsprach.
Hier können Sie Jauchs Sendung in der Mediathek sehen.
Bei Jauch wurde vor allem gestritten zwischen den Vertretern der CDU und der Alternative für Deutschland (AfD). „Wir sind die Folge Ihres gesellschaftlichen Versagens“, schleuderte der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland dem CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn entgegen. Spahn wirft Gauland, der früher selbst der CDU angehörte, vor, er versuche bei der Pegida-Bewegung „Frustbürger“ abzufischen.
Kathrin Oertel von Pegida betonte, ihre Bewegung habe keinen parteipolitischen Hintergrund. Sie selbst habe jahrelang die FDP gewählt. Zuletzt habe sie aber ihr Kreuz bei der AfD gemacht.
Auf die Frage, weshalb sich ausgerechnet die Dresdner trotz der extrem niedrigen Zahl von Muslimen in ihrer Stadt so große Sorgen um eine angebliche „Islamisierung“ Deutschlands machten, entgegnet Oertel: „In Deutschland wird auch gegen die Abholzung des Regenwaldes demonstriert, obwohl es hier keinen Regenwald gibt.“
Dass auf den Pegida-Demonstrationen regelmäßig auch Rechtsextreme und Hooligans aufkreuzen, leugnet Oertel nicht. Gleichzeitig weist sie aber darauf hin, dass auf den Gegendemonstrationen der „Gutmenschen“, wie sie die Anti-Pegida-Bewegung nennt, auch Linksextreme zugegen seien. Deren aggressives Verhalten erfordere erheblichen Polizeieinsatz, um Ausschreitungen zu verhindern.
Derweil gehen die Sicherheitsbehörden mit Hochdruck der konkreten Terrordrohung von Islamisten gegen die Pegida-Bewegung nach. Diese Drohung hat die Polizei zum Verbot aller Versammlungen unter freiem Himmel in der sächsischen Landeshauptstadt an diesem Montag veranlasst. Das gilt für die islamfeindliche Pegida-Bewegung ebenso wie für die geplante Gegendemonstration.
„Das Gebot der Stunde ist Aufmerksamkeit“, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU) der „Sächsischen Zeitung“. Das Versammlungsverbot gelte zunächst nur für Montag, betonte Ulbig. Während in Dresden alle Demonstrationen verboten sind, wollen in vielen anderen deutschen Städten Pegida-Ableger und Pegida-Gegner wieder auf die Straße gehen. Kundgebungen sind zum Beispiel in Berlin, München, Düsseldorf, Magdeburg und Saarbrücken geplant.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry kritisierte: „Friedliches Demonstrieren scheint derzeit in Dresden nicht möglich zu sein.“ Für die Demokratie in Deutschland sei es ein trauriger Tag, „wenn das Recht der Versammlungsfreiheit durch Gewaltandrohungen gebeugt wird“.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Thomas Oppermann, betonte in der ARD, es müssten schon sehr gewichtige Gründe vorliegen, wenn die Polizei das Risiko so hoch bewerte. Die Sicherheitsbehörden müssten in solchen Fällen immer abwägen: die Demonstrationsfreiheit auf der einen Seite und ihre Fähigkeit, die Demonstration zu schützen, auf der anderen Seite.
„Insgesamt darf die Situation nicht eskalieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Islamisten auf der einen Seite und die Islamhasser auf der anderen Seite die Stimmung in Deutschland hochschaukeln und Gewalt auf den Straßen entsteht“, sagte Oppermann.
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte, dass die Polizei in Dresden auch die Demonstration gegen Pegida untersagt hat. „Wenn es eine so konkrete Anschlaggefahr für Pegida-Organisatoren gibt, ist das nachvollziehbar. Warum alle Kundgebungen, auch die für ein offenes und buntes Dresden abgesagt wurden, verstehe ich nicht“, sagte sie dem „Donaukurier“.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) wies auf den Terroranschlag in Paris hin, bei dem islamistische Attentäter 17 Menschen ermordet haben: „Wir haben es nach Paris mit einer neuen Qualität der Bedrohung zu tun“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.