Bundesverwaltungsgericht kippt hessische Regelung. Callcenter, Videotheken und Lotto-Annahmestellen müssen geschlossen bleiben
Leipzig/Hamburg. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Begrenzung der Sonntagsarbeit in Hessen wollen auch andere Bundesländer ihre Regelungen überprüfen. Hamburg wolle zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, sagte Rico Schmidt, Sprecher der Gesundheitsbehörde. Einzelne Länder wie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern kündigten sofortige Konsequenzen an. Das Urteil solle auch an die niedersächsische Fassung angepasst werden, sagte der Sprecher des Sozialministeriums in Hannover. Und der Ministeriumssprecher in Schwerin sagte: „Wir haben auf diesen Richterspruch gewartet. Er bringt Rechtssicherheit.“ Das Land wolle seine Bedarfsgewerbeverordnung zur Sonntagsarbeit gleich im neuen Jahr überarbeiten.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Mittwoch die hessische Verordnung in wesentlichen Punkten gekippt und Sonntagsarbeit in Callcentern, Videotheken, Bibliotheken sowie Lottogesellschaften untersagt. Die Landesregierung in Wiesbaden hatte schon am Mittwoch angekündigt, das Verbot in den betroffenen Branchen sofort umzusetzen. Bei der beanstandeten Sonntagsarbeit geht es nicht um Tätigkeiten, die etwa die Daseinsvorsorge betreffen wie etwa die Pflege von Kranken, öffentlicher Nahverkehr und Energieversorgung. Diese sind ohnehin im Arbeitszeitgesetz vorgesehen. Für alle anderen Tätigkeiten können die Länder sogenannte Bedarfsgewerbeverordnungen erlassen.
Die meisten Bundesländer haben ähnliche Verordnungen wie Hessen. „Die Unterschiede zwischen den Ländern sind marginal“, heißt es aus Kreisen der Hamburger Gesundheitsbehörde. Gut möglich, dass das Urteil übernommen wird. In der sogenannten Hamburger Bedarfsgewerbeverordnung sind ebenfalls Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit festgehalten. Davon betroffen sind Blumengeschäfte, Parkhäuser, Bestatter, Wettbüros, Friseure an Bahnhöfen und Flugplätzen, Immobilienmakler und im Sommer Eis- und Getränkeproduzenten. Auch mehrere von den Leipziger Richtern monierte Ausnahmen sind in Hamburg aufgeführt wie etwa Videotheken, Callcenter und Lotto-Annahmestellen. Die Regelung in der Hansestadt ist bereits seit 2005 in Kraft – während die hessische erst seit 2011 existiert. Ob das einen rechtlichen Unterschied macht, ist unklar. Auch das wird Teil der Prüfung in Hamburg sein.
Jens-Peter Schwieger, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, findet, dass Sonntagsarbeit die Ausnahme bleiben sollte: „Hamburg setzt hier zu Recht enge Grenzen. Das haben wir in großer Übereinstimmung mit den Kirchen und Gewerkschaften zuletzt im Frühjahr dieses Jahres bekräftigt, als die FDP eine Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage gefordert hatte.“ Inwieweit sich durch die jüngste Entscheidung Änderungsbedarf ergibt, werde sich nach Prüfung des Urteils zeigen. Ähnlich äußerte sich auch Hjalmar Stemmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU. Bei der Überprüfung sei es für ihn wichtig, dass der Schutz des Sonntags im bisherigen Rahmen erhalten und die Wirtschaft nicht beeinträchtigt werde. FDP-Fraktionschefin Katja Suding sieht erheblichen Anpassungsbedarf: „Flexibilisierung der Arbeitszeit bei gleichzeitigem Schutz der Beschäftigten ist durch zusätzliche Ruhetage für die Arbeitnehmer möglich. Eine Fixierung auf den Sonntag passt nicht mehr in unsere moderne Gesellschaft. Ruhetage sollten im Interesse der Beschäftigten auch an Werktagen genommen werden können.“
Die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger und Bertold Bose, Hamburger Landesbezirksleiter von Ver.di, begrüßten das Leipziger Urteil. Der Sonntag als Tag der Ruhe und der Gemeinschaft sei unverzichtbar, hieß es. Zustimmung kam auch von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). „Für Christen ist jeder Sonntag und kirchlicher Feiertag ein hohes religiöses Fest“, sagte der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke. Möglichst wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen am Sonntag arbeiten müssen. Der Sonn- und Feiertagsschutz sei aber auch ein bewährtes Kulturgut, das über den Schutz des Religiösen noch hinausgehe.