Der Herrscher von Katar zu Besuch in Berlin. Merkel und Gauck hätten „ungewöhnlich offen“ mit ihm gesprochen, hieß es.
Berlin. Der Emir kam im Business-Anzug. Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani verzichtete beim Besuch in Berlin sowohl auf die in Katar traditionelle Kopfbedeckung mit den schwarzen geflochtenen Kordeln als auch auf das lange weiße Hemd mit weißen Hosen. Entweder war dies eine Reverenz an die Gastgeber oder aber er wollte vor allem als Staats- und Geschäftsmann wahrgenommen werden.
Denn der Emir befand sich auf heikler Mission. Zuletzt war dem Emirat auch von Mitgliedern der Bundesregierung und der CDU-Spitze vorgeworfen worden, eine Finanzquelle des islamistischen Terrors zu sein. Man müsse sich Gedanken machen, wie man mit Staaten und Völkern umgehe, die den Islamischen Staat (ISIS) „rüsten und finanzieren – Stichwort Katar“, sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im August zum Emirat, das als Großaktionär in deutschen Industrieunternehmen engagiert ist. CDU-Vize Thomas Strobl sagte dem Handelsblatt: „Es ist ein Problem, wenn es von denen, die an deutschen Unternehmen beteiligt sind, eine finanzielle Unterstützung für Terroristen gibt.“
Immerhin ist der Wüstenstaat mir rund 18 Milliarden Dollar in Deutschland engagiert. Das Emirat hält 14 Prozent der Anteile von VW, 11,1 Prozent des Baukonzerns Hochtief und 4,2 Prozent von Siemens. Und ein Mitglied des Herrscherhauses stieg als größter Aktionär bei der Deutschen Bank ein. Weitere Investitionen sind geplant. Zwar repräsentiert der Emir ein mit zwei Millionen Einwohnern kleines Land, aber eines mit Einfluss auf die deutsche Wirtschaft. Folglich sind beide Seiten an guten Beziehungen interessiert. Daher war der Besuch des Emirs sorgfältig vorbereitet worden. Und der Herrscher des Wüstenstaates wurde von den höchsten Repräsentanten des Staates und mit militärischen Ehren empfangen. In trauter Runde aber fielen deutliche Worte – jedenfalls wurde dies anschließend so verbreitet.
Demnach forderte Kanzlerin Angela Merkel den Scheich auf, ausländische Gastarbeiter auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 besser zu behandeln. Von einem so reichen Land wie Katar erwarte sie bessere Arbeitsbedingungen, soll die Kanzlerin „sehr deutlich gemacht“ haben. Im Gegenzug habe der Emir Versäumnisse eingeräumt. Er wurde mit den Worten zitiert: „Wir sagen nicht: Wir sind der ideale Staat, der keine Fehler macht.“ Sein Land „arbeite ernsthaft daran“, mehr für ausländische Arbeiter zu tun, hieß es.
Im Gespräch mit Bundespräsident Joachim Gauck soll der Emir sich nach Angaben aus Teilnehmerkreisen von jeder Unterstützung der Terrororganisationen al-Qaida und IS distanziert haben. Auch Gauck habe ihn explizit auf die Menschenrechte und die Berichte über katastrophale Zustände auf den WM-Baustellen angesprochen. Teilnehmer bezeichneten das Gespräch hinterher „als ungewöhnlich offen“.
Begleitet wurde der Staatsbesuch von einem umfangreichen und hochkarätigen Wirtschaftsprogramm, das schon am frühen Morgen mit einem Wirtschaftsforum im Hotel Grand Hyatt am Potsdamer Platz in Berlin begann. Dort fiel das Wort „Freundschaft“ mindestens ebenso häufig wie das Wort „Investitionsmöglichkeiten“. Rund 300 Wirtschaftsvertreter erwiesen Wirtschafts- und Handelsminister Scheich Ahmed bin Jassim Bin Mohammed Al Thani die Ehre. Die Manager vieler deutscher Top-Konzerne, darunter Vertreter der Deutschen Bank, Siemens, Deutsche Telekom, SAP, ThyssenKrupp und Volkswagen hatten zuvor bereits die Wartezeit in der Lobby dazu genutzt, Geschäfte anzubahnen. Große Logistikunternehmen wie die Deutsche Bahn AG und ihr Tochterunternehmen Schenker antichambrierten ebenso wie der Waffenbauer Airbus Defence, die Gesundheitskonzerne Vivantes und Braun-Melsungen, das Universitätsklinikum Dresden oder die Langnese Honig GmbH & Co. KG.
Mit einer PowerPoint-Präsentation erinnerte eine Vertreterin des katarischen Wirtschaftsministeriums die Tagungsteilnehmer an die Gründe für das breit gefächerte Interesse an dem Mini-Emirat: Katar sei „eines der am weitesten entwickelten Länder der Erde“ mit der niedrigsten Arbeitslosenquote und einer der höchsten Wachstumsraten weltweit, das allein bis zu 110 Milliarden Dollar in die Ausrichtung der Fußball-WM investieren werde, zuzüglich 80 Milliarden Dollar Ausgaben für Infrastrukturprojekte.
Im Übrigen zeichne sich Katar durch eine „moderne Verfassung mit Gewaltenteilung“ aus und biete einen „familienfreundlichen Lebensstil in einem extrem sicheren Lebensumfeld“. Wer hier lebe, zahle auch keine Einkommenssteuer.
Später zog sich die katarische Delegation zu Gesprächen mit den deutschen Energiekonzernen RWE, EnBW und Wintershall hinter verschlossene Türen zurück. Scheich Meshal Bin Jabr Al Thani, Direktor von Katar Petroleum, wünschte keine Öffentlichkeit, als es um die Frage ging, ob sein Land Europa aus der Klemme helfen könnte, falls russische Gaslieferungen ausbleiben sollten. Katar verfügt über die drittgrößten Gasvorkommen der Welt.
Zudem hatten sich die Katarer schon vor dem Besuch viele Gedanken darüber gemacht, wie sie ihr schlechtes Image in Deutschland wieder aufpolieren könnten. Zu diesem Zweck arbeiten verschiedene katarische Ministerien nun mit einer der größten deutschen PR-Beratungsfirmen zusammen: der WMP EuroCom AG. Sie bringt Journalisten mit Regierungsvertretern zusammen, organisiert Einladungen zu Workshops, bei denen etwa über die„Herausforderungen und Möglichkeiten der katarisch-deutschen Kooperation“ diskutiert wird. Doch von diesem Workshop wurde die Öffentlichkeit dann kurzfristig doch wieder ausgeschlossen – auf Wunsch der Katarer.