Die Erkundung des Salzstocks wird eingestellt, trotzdem kann er noch zum Atommüll-Endlager werden. Den örtlichen Bürgerinitiativen und den Umweltorganisationen geht die Vereinbarung nicht weit genug.
Lüchow/Berlin. Das Erkundungsbergwerk für ein mögliches Atommüll-Endlager im wendländischen Gorleben wird weitgehend stillgelegt, aber nicht vollständig zurückgebaut. Darauf haben sich der Bund und das Land Niedersachsen am Dienstag geeinigt. Sie setzen so einen wichtigen Bestandteil des Standortauswahlgesetzes um, auf das sich der Bundestag im vergangenen Jahr verständigt hat. Danach gibt es eine neue ergebnisoffene Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Müll. Der Gorlebener Salzstock bleibt dabei eine Option.
Den örtlichen Bürgerinitiativen und den Umweltorganisationen geht die Vereinbarung nicht weit genug, aber es gab nach Verkündung der Entscheidung am Dienstag auch positive Reaktionen, weil mit sofortiger Wirkung auch das über 30 Jahre alte atomrechtliche Planfeststellungsverfahren für erledigt erklärt wird. Damit sind die Hürden deutlich höher, wenn am Ende die Politik doch noch zurückkommen sollte auf den Salzstock im Wendland als Endlagerstandort.
Die beiden Schächte des Bergwerks bleiben offen, die Stollen unter Tage werden weitgehend geräumt, das Gros der Maschinen und andere technische Einrichtungen wird über Tage geschafft. Auch die oberirdischen umfangreichen Sicherungsanlagen werden weitgehend zurückgebaut. Den von Atomkraftgegnern geforderten kompletten Rückbau wird es nicht geben.
In Lüchow im Landkreis Lüchow-Dannenberg stellten der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) und Staatssekretär Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium am Dienstag die Vereinbarung vor. Wenzel sprach von einem wichtigen Schritt für einen Neubeginn: „Damit wird auch technisch das Ende der jahrzehntelangen Vorfestlegung auf Gorleben als Endlagerstandort eingeläutet.“ Und in Berlin versicherte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Es gibt keine Vorfestlegungen, kein Standort ist gesetzt aber auch keiner von vornherein ausgeschlossen.“
Jochen Stay, Sprecher der BI „Ausgestrahlt“, kritisierte die Entscheidung: „Damit ist klar, dass es auch künftig keinen fairen Vergleich von Standorten geben wird.“ Weil wesentliche Teile des Bergwerks erhalten bleiben, würden die in Gorleben geschaffenen Fakten bei den Entscheidungen eine Rolle spielen. Tatsächlich haben die Stromkonzerne in den vergangenen drei Jahrzehnten in Gorleben bereits 1,6 Milliarden Euro investiert. Etwa zu gleichen Teilen für die Erkundung und bereits in den Ausbau für eine spätere Endlagerung.
Auch der BUND hatte sich für eine Komplettverfüllung eingesetzt, wertet aber das jetzt beschlossene Maßnahmenbündel als „weiteren Schritt in die richtige Richtung“. Dazu gehört laut BUND auch die Beendigung des Planfeststellungsverfahrens. Der Rückbau des Bergwerks wird auf etwa zwei Jahre veranschlagt, danach wird absehbar etwa die Hälfte der derzeit rund 120 Bergleute dort keine Arbeit mehr haben.
In den kommenden zwei Jahren soll jetzt die auf Bundesebene geschaffene Enquetekommission aus Experten, Politikern, Vertretern von Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften Grundsatzfragen klären für die neue ergebnisoffene Endlagersuche. Dazu gehören die Frage, ob der Atommüll rückholbar gelagert werden soll und die Frage nach dem richtigen sogenannten Wirtsgestein. Neben Salz sollen auch Ton und Granit auf ihre Tauglichkeit geprüft werden, hochstrahlende Abfälle bis zu eine Million Jahre sicher zu verwahren. Die Hoffnung der Politik: Ein transparentes Verfahren mit öffentlichen Sitzungen und der Publikation von Gutachten soll Vertrauen schaffen.
Eine weitere Hürde für solches Vertrauen im Wendland: Bislang haben sich mit dem rot-grün regierten Schleswig-Holstein und dem grün-rot regierten Baden-Württemberg erst zwei Bundesländer bereit erklärt, jeweils einen Teil der noch ausstehenden 26 Castor-Behälter aus Frankreich und England zwischenzulagern. Entweder das von der CSU regierte Bayern oder das schwarz-grün regierte Hessen müssen ebenfalls Castoren aufnehmen. Niedersachsen hat im Zuge der Verhandlungen zur neuen Endlagersuche durchgesetzt, dass kein weiterer Castor ins Zwischenlager Gorleben rollt, wo bereits über 100 Behälter stehen. Zur Rücknahme der Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet.