Der ehemalige Bundespräsident und Ehrenvorsitzende der FDP feiert in seinem Pflegeheim in Bad Krozingen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch gehen an Walter Scheel zahlreiche Glückwünsche ein.
Bad Krozingen/Berlin. Populär geworden ist Walter Scheel nicht zuletzt durch seine Interpretation des Volksliedes „Hoch auf dem gelben Wagen“, doch wie nur wenige andere hat er die bundesdeutsche Politik in den 70er Jahren geprägt. Als Verfechter eines sozial-liberalen Kurses erschien er jahrzehntelang wie ein FDP-Politiker aus längst vergangenen Zeiten. Am Dienstag wird der Altbundespräsident und Ehrenvorsitzende der Liberalen 95. Jahre alt.
Seinen Geburtstag feiert Scheel, von 1974 bis 1979 deutsches Staatsoberhaupt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Pflegeheim Bad Krozingen bei Freiburg.
Als einer der ersten würdigte FDP-Chef Christian Lindner die Lebensleistung des früheren Bundespräsidenten. „Walter Scheel ist eine herausragende Persönlichkeit. Sein Wirken als FDP-Parteivorsitzender, Außenminister, Vizekanzler und vor allem Bundespräsident genießt bis heute größten Respekt und Anerkennung“, schrieb Linder. „Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute, allem voran Gesundheit und ein Altern in Würde.“
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gratulierte. Scheel ist seit 1978 Ehrenbürger von Berlin. Wowereit würdigte das Eintreten Scheels für die Entspannungspolitik gemeinsam mit dem früheren Bundeskanzler Willy Brandt. „Damit hat Scheel mit dafür gesorgt, die Menschen in beiden Teilen des geteilten Berlins wieder näher zueinander zu bringen. Als Partner des Entspannungspolitikers Willy Brandt hat aber auch Scheel Anteil an der Wiederherstellung der deutschen Einheit und damit verbunden der Einheit unserer Stadt.“
Mit Würde im hohen Amt
Als Außenminister der sozial-liberalen Koalition brachte der am 8. Juli 1919 in Solingen geborene Sohn eines Handwerkers ab 1969 gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) die Entspannungspolitik auf den Weg: In seine Amtszeit fiel die Unterzeichnung der Ost-Verträge mit Russland, Polen und der Tschechoslowakei, sowie des deutsch-deutschen Grundlagenvertrages 1972.
1974 wurde Walter Scheel als Nachfolger von Gustav Heinemann vierter Bundespräsident. Nach der unkonventionellen Amtsführung seines Vorgängers, der sich als „Bürgerpräsident“ verstand, betonte Scheel wieder stärker Repräsentation und Würde des hohen Amtes. Er glänzte als guter Redner und setzte sich kritisch mit der deutschen Vergangenheit auseinander. Da sich im Vorfeld der folgenden Präsidentenwahl 1979 aber keine erneute Mehrheit für Scheel abzeichnete, verzichtete er auf eine nochmalige Kandidatur.
Bevor Scheel Außenminister und Bundespräsident wurde, durchlief er alle Ebenen der Politik. Er war Kommunalpolitiker in Solingen und gehörte dem nordrhein-westfälischen Landtag an, bevor er 1953 in den Bundestag einzog. Von 1961 bis 1966 war er Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, nach dem Ende der schwarz-gelben Koalition wurde er 1967 Bundestagsvizepräsident.
1968 wurde Scheel schließlich Vorsitzender der FDP und schwor die Partei nach langen Jahren an der Seite der Union auf ein Bündnis mit der SPD ein. Dieses kam 1969 mit Willy Brandt als Bundeskanzler zustande, obwohl die FDP mit 5,8 Prozent ein mageres Ergebnis erzielt hatte. Die sozial-liberale Koalition überstand den Sturz Brandts im Zuge der Affäre um Kanzleramtsspion Günter Guillaume im Jahre 1974. Doch 1982 kündigte Scheels Nachfolger als Parteichef und Außenminister, Hans Dietrich Genscher, die sozial-liberale Koalition unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) auf.
Aufsehen durch Festrede 1986
Walter Scheel meldete sich nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt immer wieder in der Öffentlichkeit zu Wort. Unterstützte er 1982 zunächst Genschers Schwenk hin zu Union, äußerte er sich später kritisch zur Arbeit des schwarz-gelben Bündnisses. Von sich reden machte er 1986 durch eine Festrede zum 17. Juni, in der er für die Fortsetzung der Entspannungspolitik und Verständnis für die Sowjetunion warb. Im darauf folgenden Jahr scheiterte ein Talkshow-Versuch: Aus der Moderation der ZDF-Sendung „Live“ zog sich Scheel bereits nach der Premierensendung zurück, sein Auftritt hatte Kritik ausgelöst.
Seit den 90er Jahren ist es ruhiger geworden um Walter Scheel, der bereits 1977 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet wurde. Nach dem Tod seiner zweiten Frau Mildred, die die Deutsche Krebshilfe initiiert hatte und 1985 selbst dieser Krankheit erlag, heiratete er die frühere Krankengymnastin Barbara Wiese. Sie stand auch an seiner Seite, als Scheel Ende 2008 schwer erkrankte. Nach einem Routineeingriff beim Arzt erlitt er eine Blutvergiftung, wegen der Scheel wochenlang in Kliniken behandelt werden musste.
Um nicht mehr so sehr im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen, zog das Ehepaar Scheel bereits vor gut fünf Jahren von Berlin ins baden-württembergische Bad Krozingen. Dort lebt der laut Medienberichten an Demenz erkrankte Scheel heute in einem Pflegeheim.