Hamburg. Oft ist Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) für seine Aussage, sein Freund Wladimir Putin sei ein „lupenreiner Demokrat“ gescholten worden. Und lange hat es gedauert, bis er am russischen Präsidenten auch einmal deutliche Kritik übt. Im Falle des Ukraine-Konflikts ist es jetzt so weit: Russlands Vorgehen sei völkerrechtswidrig, sagte Schröder. Zugleich kritisiert er aber auch die Politik der Europäischen Union. Die EU-Kommission sei qualitativ in einem desolaten Zustand und habe „nicht im Entferntesten kapiert, dass die Ukraine ein kulturell gespaltenes Land ist und dass man mit einem solchen Land so nicht umgehen kann“, sagte Schröder auf einer Matinee der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Hamburg. Die Kommission habe schon am Anfang den Fehler gemacht, ein Assoziierungsabkommen unter dem Motto „Entweder-oder“ abschließen zu wollen.
„Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoß gegen das Völkerrecht“, so der Altkanzler. Dennoch wolle er Putin, der seiner Ansicht nach „Einkreisungsängste“ hat, nicht verurteilen. Er selbst habe als Kanzler beim Jugoslawienkonflikt ebenfalls gegen das Völkerrecht verstoßen. „Da haben wir unsere Flugzeuge (...) nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“ Insofern sei er vorsichtig mit dem erhobenen Zeigefinger.
Skeptisch zeigte sich Schröder hinsichtlich der Motive der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko. „Von der weiß man ja auch nicht, welche materiellen Interessen sie hat. Die Gefahr ist doch, dass die gewaltigen Hilfsgelder, für die ich bin, wieder in den falschen Kanälen landen können.“ Eine Vermittlerrolle in dem Konflikt lehnte Schröder ab. „Wenn Sie eine solche Aufgabe übernehmen wollen, brauchen Sie eine Struktur, entweder eine Regierung oder eine internationale Organisation.“ Zu glauben, dass man eine solche Arbeit als Einzelperson leisten könnte, sei naiv.