Sensation bei der katholischen Kirche. Vergewaltigte Frauen bekommen an konfessionellen Krankenhäusern künftig die „Pille danach“.
Trier. Kehrtwende nach einem Sturm der Empörung: Katholische Krankenhäuser in Deutschland dürfen vergewaltigten Frauen die „Pille danach“ verordnen, wenn sie die Befruchtung verhindert und nicht abtreibt. Darauf verständigten sich die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Trier. Sie reagierten damit auf heftige Proteste nach der Abweisung eines Vergewaltigungsopfers an zwei Kliniken. Medikamente, die den Tod des Embryos bewirken, dürften jedoch weiterhin nicht angewendet werden.
„Die Entscheidung fiel einstimmig“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Donnerstag. Der Kurswechsel bei der „Pille danach“ sei möglich geworden, weil es neue Präparate mit anderen Wirkweisen auf dem Markt gebe.
Mit ihrer Entscheidung folgen die Bischöfe der neuen Linie des Kölner Kardinals Joachim Meisner, der die „Pille danach“ jüngst in seinem Erzbistum erlaubt hatte. Meisner war vorgeprescht, nachdem Ärzte in zwei katholischen Krankenhäusern in Köln die Behandlung einer vergewaltigten Frau abgelehnt hatten.
„Die jetzige Entscheidung gilt“, sagte Zollitsch. Jeder Bischof sei aufgefordert worden, nun in seinem Bistum mit verantwortlichen Ärzten zu sprechen. Über die Verordnung der „Pille danach“ entscheide jeweils der Arzt vor Ort, sagte Zollitsch. „Auf jeden Fall ist die Entscheidung der betroffenen Frau zu respektieren.“
Die kritische Initiative „Wir sind Kirche“ sprach von „scheinbarer Bewegung“. Die Frage einer Zulassung der „Pille danach“ sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass die katholischen Krankenhäuser sonst aus der Krankenhausfinanzierung ausgegliedert würden. „Dieses wollen die katholischen Bischöfe aber auf jeden Fall vermeiden.“
Auf ihrer viertägigen Vollversammlung stellten die 66 Bischöfe zudem Weichen für mehr Frauen in kirchlichen Führungsjobs. So sollen Frauen für bestimmte Tätigkeiten eigens qualifiziert werden. Zudem könnten neue Ämter und Dienste für Frauen „außerhalb der Weihe“ entstehen, sagte Zollitsch. Ob als „Gemeindediakonin“ oder „Diakonisse“ – da sei der Fantasie keine Grenze gesetzt. Es solle auch geprüft werden, welche Funktionen zwingend an die Weihe gebunden sein müssten. „Wir wollen zu mehr Vielfalt kommen“, sagte Zollitsch. Die Priesterweihe von Frauen bleibt ausgeschlossen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sprach dennoch von einem wichtigen Schritt bei einem der drängendsten Themen der Kirche. „Für das ZdK ist es im Interesse des Verkündigungsauftrags der Kirche notwendig, dass die Ausgestaltung des Diakonats der Frau weiter beraten wird“, sagte ZdK-Präsident Alois Glück.
Zollitsch versprach zudem, dass die Kirche bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in ihrem Engagement nicht nachlasse. „Wir wollen der Wahrheit ans Licht verhelfen, auch wenn diese noch so schmerzlich ist“, sagte er. Er sei zuversichtlich, dass „schon bald“ - wohl bis April – ein neuer Partner für die gekündigte Missbrauchsstudie präsentiert werden könnte. Die Kirche war jüngst heftig in die Kritik geraten, weil sie ihre Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer im Streit beendet hatte.
Die Wahl des neuen Papstes war am Rande der Vollversammlung auch Thema unter den Bischöfen. Schließlich waren mehrere Kardinäle in Trier, die im Konklave den neuen Papst mitwählen werden. „Wir haben keine Voten aufgestellt, die wir den vier Kardinälen der DBK mitgeben, denn sie sind in ihrer Entscheidung frei“, sagte Zollitsch. „Ich kann mir sehr gut auch einen Papst aus einem anderen Kontinent vorstellen. Und irgendwann kommt der Schritt auf jeden Fall, ob jetzt oder bei der nächsten Papstwahl. Und das würde der katholischen Kirche meines Erachtens nach gut tun.“