Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärt im Abendblatt-Interview die Strategie seiner Partei gegen “die mächtigste Frau der Welt“.
Berlin. Kurz nach der CDU wird sich an diesem Sonntag die SPD in Hannover versammeln, um Peer Steinbrück offiziell zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013 zu küren. Dass er das 98-Prozent-Ergebnis von Kanzlerin Angela Merkel erreicht, das ihr die Delegierten zu Wochenbeginn dort verschafften, wird bei den Genossen zwar intern bezweifelt - mit guten 90 Prozent rechnet man aber doch. Wie die SPD Merkel von jetzt an angreifen will, erklärt der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann.
Hamburger Abendblatt: Herr Oppermann, gibt es etwas, was Sie an der Kanzlerin heimlich bewundern?
Thomas Oppermann: Nein. Ihre Art, die Dinge laufen zu lassen, keine Entscheidungen zu treffen und dann, wenn die Würfel gefallen sind, sich zu positionieren, habe ich einmal geschätzt. Diese Strategie offenbart allerdings auch: Angela Merkels Positionen sind beliebig. Sie hat keine klare Haltung, sondern verhält sich immer nur taktisch.
Zudem wurde Merkel von der CDU mit fast 98 Prozent erneut zur Parteichefin gewählt.
Oppermann: Das war eine reine Verzweiflungstat der Delegierten. Die wissen ganz genau, dass die CDU nur noch Angela Merkel hat. Diese Partei ist personell und inhaltlich abgebrannt. Um von diesem Vakuum abzulenken, musste die CDU ein gutes Ergebnis für die Vorsitzende produzieren.
Merkel hat mit den 98 Prozent die Messlatte hochgelegt. Kann Peer Steinbrück das noch überbieten?
Oppermann: Die SPD neigt nicht zu nordkoreanischen Ergebnissen. Klar ist: Wir stehen geschlossen hinter Peer Steinbrück. Er ist der richtige Kandidat, und er wird der richtige Kanzler. Das Interesse an ihm ist riesig. Wo immer er auftritt, sind die Säle voll, auch außerhalb der SPD. Ich bin sicher, dass er ein ganz hervorragendes Ergebnis bekommt.
Wenn Sie für Peer Steinbrück eine Einmarschmusik am Sonntag aussuchen könnten - was wäre das?
Oppermann: "You'll never walk alone". Wir werden zusammenstehen. Peer Steinbrück weiß, dass er alleine nicht gewinnen kann. Die SPD weiß, dass sie ohne ihn nicht gewinnen kann.
Im direkten Vergleich mit der Kanzlerin steht Steinbrück bei den Wählern aber hinten an. Was wollen Sie dagegen tun?
Oppermann: Der Wahlkampf hat noch gar nicht richtig begonnen, und Peer Steinbrück hat schon jetzt die besseren Kompetenzwerte als Angela Merkel. Nach der Wahl von Peer Steinbrück in Hannover wird sich das noch weiter verbessern. Am Ende ist auch nicht entscheidend, ob Steinbrück oder Merkel im persönlichen Vergleich die Nase vorn hat, sondern wer im Bundestag eine Mehrheit hat. Angela Merkel hat keine Mehrheit mit ihrem Wunschpartner FDP. Merkels schwarz-gelbe Koalition wird es in einem Jahr nicht mehr geben.
Werden Sie konkret. Was will die SPD gegen die Frau machen, die laut Forbes-Magazin "mächtigste Frau der Welt" ist?
Oppermann: Wir werden deutlich machen: Angela Merkel führt die unfähigste Regierung seit Jahrzehnten. Sie steht für das Betreuungsgeld und die verkorkste Energiewende. Angela Merkels Partei ist gegen eine Frauenquote und gegen steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Angela Merkels CDU pflegt ihr konservatives Weltbild und verschläft gesellschaftliche Veränderungen. Die Quittung dafür hat sie in den Großstädten bereits bekommen. Die Menschen spüren schon jetzt: Gesellschaftliche Modernisierung schafft nur Rot-Grün.
Bisher ist es der SPD so aber nicht gelungen, von der anhaltenden Schwäche der Bundesregierung zu profitieren.
Oppermann: Unsere Ausgangslage ist gut. Das bürgerliche Lager liegt nur bei rund 40 Prozent und ist damit weit von einer Machtperspektive entfernt. 60 Prozent der Stimmen liegen bei den Oppositionsparteien. Zwar gehören davon noch nicht alle der SPD, aber wir werden daran arbeiten, dass das besser wird.
Weiblichen Wählern gefällt der Kandidat Steinbrück nicht so gut. Wie kann dieses Defizit kompensiert werden?
Oppermann: Ich glaube, dass Frauen stark auf die Inhalte schauen und in den nächsten Monaten feststellen werden, dass Peer Steinbrück überzeugende Konzepte hat, etwa für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen und für eine verbindliche Quote für Frauen in Führungspositionen.
Welche Rollen könnten die Hamburgerin Aydan Özoguz und Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern im Wahlkampf 2013 spielen?
Oppermann: Beide sind hervorragend profiliert und Aushängeschilder der SPD. Sie werden eine herausragende Rolle spielen.
Sind beide auch potenzielle Kandidatinnen für ein Schattenkabinett?
Oppermann: Das wird am Ende Peer Steinbrück entscheiden.
Was ist für die SPD bei der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar drin?
Oppermann: Die Niedersachsen-Wahl wird zeigen: Rot-Grün kann Mehrheiten schaffen. Frau Merkel steht hingegen ohne Koalitionspartner da. Auf Bundesebene wird die Debatte über Schwarz-Grün deshalb weiterlaufen. Das demobilisiert und verunsichert die Wählerschaft der Union.
Und auch für Sie hängt einiges daran: Gewinnt in Niedersachsen Rot-Grün, haben Sie auch die Mehrheit im Bundesrat.
Oppermann: Ja. Nach dem Wahlsieg von Stephan Weil in Niedersachsen haben wir die Möglichkeit, eigene Gesetzesinitiativen über den Bundesrat einzubringen. Und das werden wir auch tun. Gut vorstellbar ist, dass wir schon bald eine Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro starten. Die Bundesregierung muss sich dann klar positionieren. Angela Merkel kann sich auf ein schwieriges Restjahr einstellen.
Mit welchen Gefühlen beobachten Sie das neue Selbstbewusstsein der Grünen?
Oppermann: Die Grünen sind auf ihre Erfolge zu Recht stolz. Wir brauchen starke Grüne für eine rot-grüne Mehrheit. Mit schwachen Grünen können wir keinen Regierungswechsel herbeiführen. Dass die Grünen ins bürgerliche Lager vorstoßen, ist gefährlich für Angela Merkel und kann uns die entscheidenden rot-grünen Stimmen bringen.
Also keine Angst, dass es am Ende auf Schwarz-Grün hinausläuft und die SPD übrig bleibt?
Oppermann: Nein. Bisher sind alle schwarz-grünen Experimente gescheitert. Wir brauchen eine rot-grüne Regierung, die soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt in den Mittelpunkt stellt und nicht die Befriedigung von Klientelinteressen.
SPD und Grüne wollen einen eigenständigen Wahlkampf führen. Bedeutet das für Sie, Positionen der Grünen auch mal offen zu kritisieren?
Oppermann: Wir haben die größte Schnittmenge mit den Grünen, stimmen aber nicht in jedem Detail überein. Jede Partei muss ihre eigene Anhängerschaft mobilisieren.
Wie fanden Sie eigentlich die Urwahl der Grünen? Wäre das auch was für die SPD?
Oppermann: Ja. Ich bin ein großer Anhänger der Urwahl. Ich würde nicht ausschließen, dass wir das in Zukunft auch einmal so machen. Aber diesmal hatten wir nur einen Kandidaten. Das ist Peer Steinbrück. Und das ist gut so.