SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat jetzt nicht nur ein Rentenkonzept, sondern auch eine klare Vorstellung von der Rolle der Grünen.
Berlin. Was waren die Sozialdemokraten noch euphorisch, als die Grünen vor einer Woche bei ihrem Hannoveraner Parteitag ihr Spitzenkandidatenduo auf den Thron hoben und ihren Parteivorstand im Amt bestätigen ließen. Selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ es sich nicht nehmen, Claudia Roth und Cem Özdemir persönlich zur ihrer Wiederwahl als Vorsitzende zu gratulieren. Ebenso beglückwünschte er die Grünen öffentlich zu Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, die beiden per Urwahl bestimmten Gesichter für die Bundestagswahl 2013.
Doch nun sind die Grünen der SPD offenbar ein bisschen zu selbstbewusst geworden. Das rot-grüne Bündnis "auf Augenhöhe", das sich die Ökopartei ab 2013 wünscht, würde es unter einem Bundeskanzler Peer Steinbrück nicht geben. "Natürlich soll man in einer Koalition fair miteinander umgehen, aber es wird auch um politische Gewichte gehen", sagte Steinbrück der "Bild am Sonntag". Und weiter: "Eine Partei, die doppelt so viele Stimmen oder noch mehr als der kleinere Partner erzielt, wird es nicht an Selbstbewusstsein fehlen lassen." Übersetzt heißt das: Die Rollen von Koch und Kellner sind aus seiner Sicht noch immer klar verteilt - auch bei einer gemeinsamen Koalition 2013. Die Grünen mögen sich demnach bitteschön unterordnen, wenn es so weit ist. Im aktuellen Emnid-Sonntagstrend kommen sie auf 15 Prozent, die SPD dagegen auf 29 Prozent. Zum Vergleich: Die Union würden 38 Prozent der Befragten wählen, die FDP würde allerdings wieder an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Auf eine Mehrheit kommt demnach keines der beiden Lager. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, empfahl der SPD über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter, statt "Dominanzspielchen" lieber für eine gemeinsame rot-grüne Mehrheit zu kämpfen.
Rot-grünen Dissens gibt es aber auch bei dem am Sonnabend auf einem kleinen Parteitag beschlossenen Rentenkonzept der SPD. Kommen die Sozialdemokraten 2013 in die Regierung, wollen sie durchsetzen, dass Arbeitnehmer künftig nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Zudem soll es eine aus Steuern finanzierte Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener geben und die Erwerbsminderungsrente besser ausgestattet werden. Die SPD gibt zudem das Versprechen ab, die Renten der Ostdeutschen bis 2020 auf die der Westdeutschen anzuheben.
Der Parteivorsitzende Gabriel bezifferte die Gesamtkosten bis 2030 auf 16 Milliarden Euro. Seine Partei habe damit "als einzige" ein schlüssiges Rentenkonzept vorgelegt, das Wirtschaft und Bildung mit dem Arbeitsmarkt verbinde, sagte er. Das Papier sei "bis in den letzten Ortsverein" hinein diskutiert worden. Auch Steinbrück sagte, die SPD habe ein "sehr überzeugendes" Papier vorgelegt, die Union verfüge dagegen über gar kein Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut. Als "Lerneffekt" aus den Exzessen der Finanzmärkte werde er im Wahlkampf für eine Politik werben, die "stärker auf das Gemeinwohl und den Zusammenhalt" der Gesellschaft setze, kündigte er an.
Die Klärung ihrer Rentenpolitik hatte die SPD seit der Wahlniederlage 2009 vor sich hergeschoben. Nachdem sie 2011 bereits die Aussetzung der Rente mit 67 beschlossen hatten, fand sie nun ihren Kompromiss beim Rentenniveau. Der Streit darüber wird allerdings nur vertagt: So soll erst 2020 entschieden werden, ob die geltende Rentenformel verändert wird. Sie sieht vor, dass das Rentenniveau von derzeit 50,4 Prozent bis 2020 auf 46 Prozent eines Durchschnittslohns und bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent sinken kann, ohne dass gesetzlich gegengesteuert wird. Erst wenn dieses Niveau unterschritten wird, müsste der Staat eingreifen. Die SPD will nun in acht Jahren prüfen, ob Maßnahmen gegen ein Absinken des Rentenniveaus ergriffen werden müssen oder eben nicht. Bis dahin will sie arbeitsmarktpolitisch gegensteuern, etwa mit einem Mindestlohn.
Die Grünen sind unzufrieden mit den Plänen. Es verschiebe "wichtige rentenpolitische Weichenstellungen in die Zukunft", bemängelten Fraktionsvize Kerstin Andreae und der Sprecher für Rentenpolitik, Wolfgang Strengmann-Kuhn. Die Frage nach dem Rentenniveau müsse "heute und nicht erst in acht Jahren beantwortet werden".
Der kleine Parteitag der SPD fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach Angaben von Teilnehmern wurde keine Kritik an Steinbrück laut, der zuletzt Schlagzeilen mit seinen Nebeneinkünften gemacht hatte. In der "Bild am Sonntag" zeigt sich Steinbrück selbstsicher: "Ich bin sicher, dass die Bürger meine Leistungen als Politiker in eine angemessene Relation zum Thema Vortragshonorare oder zum Einsatz meiner Bahncard als Abgeordneter zu stellen wissen." Seinen Stil wolle er nicht ändern. Möglicherweise wirke er zu kopfgesteuert und wenig emotional. Aber: "Ich werde jetzt nicht zum Kuschel-Peer, in der Rolle wäre ich doch völlig unglaubwürdig."