Ob 2020 tatsächlich eine Million E-Mobile fahren, bleibt auch nach dem Gipfeltreffen der Industrie mit Kanzlerin Merkel fraglich.
Berlin. Vielleicht muss sich Angela Merkel ein Vorbild an Bertha Benz nehmen, irgendwann in eines der neuen E-Mobile steigen und öffentlichkeitsheischend drauflosfahren. Die Frau des Autopioniers Carl Benz hatte an einem Augusttag des Jahres 1888 das Vehikel ihres Mannes erklommen, ihre zwei minderjährigen Söhne dazugepackt und sich auf die 106 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Pforzheim gemacht. Frau Benz kam an und auch wieder zurück. Sie hatte den Beweis erbracht, dass das benzingetriebene Automobil das Fortbewegungsmittel der Zukunft ist.
Diese Zukunft wird langsam zur Vergangenheit. Aber an die Verheißung einer neuen Zukunft wollen die Bürger noch nicht recht glauben: Immer mehr Autos sollen ohne fossile Brennstoffe auskommen. Eine Million E-Mobile will die Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen sehen. Das Ziel ist ambitioniert und - wie das Treffen mit Vertretern der Autoindustrie, aus Wissenschaft, von Gewerkschaften und der Politik im Kanzleramt zeigte - kaum zu schaffen. "Wir haben noch einige Herausforderungen zu bewältigen", bekannte die Kanzlerin. "Das Ziel ist nicht ganz einfach zu erreichen. Es wäre aber falsch, das Ziel aufzugeben."
Ein Papier zur Vorbereitung des Treffens aus dem Bundesforschungsministerium, das der "Welt" vorliegt, bestätigt die Skepsis. In den nächsten Jahren schlage die Stunde der Ingenieure, heißt es darin. "Es geht um die Lösung schwieriger technologischer Herausforderungen. Ob 2020 in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge fahren werden, weiß heute niemand." Die selbst gesteckte Zielmarke wird relativiert: "Entscheidend ist etwas anderes: Die jetzt entwickelten Technologien sind auch für Hybridfahrzeuge und Verbrenner wichtig." Etwa 600 000 Elektroautos sind Prognosen zufolge bis 2020 zu erreichen.
Was das für die Ziele der Bundesregierung bedeutet, erläuterte Henning Kagermann, der als Leiter der Nationalen Plattform Elektromobilität damit betraut ist, die unterschiedlichen Akteure zusammenzuführen: "Es geht nicht nur um rein batteriebetriebene Fahrzeuge." Um eine Million Elektroautos zu erreichen, sollen auch Hybrid-Fahrzeuge mitgerechnet werden. "Wir wissen nicht, was sich am Markt durchsetzt, wir müssen alles anbieten", sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie.
Vor allem das FDP-geführte Wirtschaftsministerium will den Eindruck vermeiden, die Politik wolle einmal mehr den Markt lenken. Genug, dass im Zusammenhang mit der Energiewende immer wieder von planwirtschaftlichen Strukturen die Rede ist, wovor sogar schon der Bundespräsident gewarnt hat. Deshalb verwarf Ressortchef Philipp Rösler auch den Gedanken an eine Kaufprämie, wie sie etwa in Frankreich existiert. "Es geht um ein Marktdesign, das kann man sich nicht einfach kaufen", sagte er. Dem pflichtete Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bei. "Die Erfahrungen in anderen Ländern sind nicht so, dass wir ohne sorgfältige Prüfung Geld in die Hand nehmen sollten." Steuerlich verschafft die Regierung dem Elektroauto gleichwohl Vorteile. So kündigte Angela Merkel an, dass die Gesetze zur Befreiung von E-Mobilen von der Kfz-Steuer und zu Vorteilen für Dienstwagen noch in diesem Jahr verabschiedet werden sollen.
Merkel wehrte sich aber gegen den Eindruck, den Wissmann erweckte, dass nun jedes Fahrzeug, das eine Elektro-Komponente enthält, positiv in die E-Mobilitätsbilanz einfließen werde. Nur Autos, die "mehrheitlich mit Batterie" betrieben würden, zählten auf der Seite der Elektroautos, stellte sie klar. Den Eindruck, dass die Regierung trickst, wollte sie damit vermeiden.
15 Modelle will die deutsche Industrie bis Ende 2014 bereitstellen, kündigten die Vertreter der Autobauer an - in der Regel Hybrid-Fahrzeuge. Grund für die Abkehr von reinen Elektrofahrzeugen ist der Forschungsstand im Bereich der Batterietechnik. Hier geht das Forschungsministerium nicht davon aus, dass es in den kommenden Jahren zu Innovationssprüngen kommt. Moderne Batterien können eine Reichweite von 160 Kilometern sicherstellen, danach muss ein Verbrennungsmotor einspringen. Hinzu kommt noch ein Punkt, den Matthias Wissmann wie selbstverständlich formulierte: "Die Fahrzeuge werden mit regenerativen Energien gespeist. Das ist ein Baustein der Energiewende. So sparen wir vielleicht ein Pumpspeicherkraftwerk." Dahinter steckt die Idee, dass überschüssiger Strom aus Wind, Sonne und Wasser in Autobatterien gespeichert werden soll. Doch auch hier fehlt es noch an ausgereifter Technik.
Die Bundesregierung will die Forschung deshalb weiter anschieben. In die Batterietechnik soll bis 2013 wie geplant eine Milliarde Euro fließen. Das Geld sollte eigentlich aus dem Klimafonds kommen, der wiederum aus dem Verkauf der CO2-Verschmutzungsrechte gefüllt werden sollte. Da die Preise aber weit unter den Erwartungen geblieben sind, waren Zweifel aufgekommen, ob das Geld fließen könne.