Betreuungsgeld bleibt weiter Streitthema der Regierungskoalition. FDP-Vize nennt Abschaffung der Praxisgebühr als mögliche Gegenleistung.

Berlin. Im Koalitionsstreit über das Betreuungsgeld hat die Union den Ball zurück an die FDP gespielt. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer forderte die Liberalen auf, ihre Bedingungen für eine Zustimmung zum Betreuungsgeld zu nennen. „Die FDP muss sagen, was sie sich konkret vorstellt“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag in Berlin. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt verwahrte sich gegen den Vorwurf der FDP, die Liberalen seien bei der Suche nach einem unionsinternen Kompromiss in der vergangenen Woche nicht einbezogen gewesen: „Das war kein Alleingang der CDU/CSU.“

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bestritt wiederum Hasselfeldts Darstellung, er sei eingebunden gewesen in die Kompromissfindung. Die Unionsfraktion verhandele selbstverständlich untereinander, sagte Brüderle. Es sei bislang nicht vorgekommen, dass deren Gespräche vom FDP-Fraktionsvorsitzenden moderiert würden. Er und Hasselfeldt hätten lediglich ein kurzes Telefonat über die Bildungsförderung geführt.

Als erster Liberaler nannte Sachsens FDP-Chef Volker Zastrow mögliche Gegenleistungen, die die Liberalen für eine Zustimmung fordern könnten. „Wir brauchen ein anderes Entlastungszeichen, und das kann beispielsweise eine Abschaffung der Praxisgebühr sein“, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende im Deutschlandfunk. Denkbar wäre auch die Absenkung des Solidaritätszuschlages oder die Abschaffung der Stromsteuer. Die Union lehnt alle drei Forderungen bisher ab.

FDP-Spitze strebt Entscheidung in der Sache an

In der FDP-Parteizentrale wurde Zastrows Vorstoß allerdings kritisch gesehen. Auch in der Fraktionssitzung wurde daran nach Angaben von Teilnehmern Kritik laut. Es solle nicht der Eindruck entstehen, als würde wie auf einem Basar verhandelt. Die FDP könne nicht für etwas, was sie nicht wolle, einen Preis verlangen, betonten mehrere Render. Die Praxisgebühr solle daher aus dem Topf herausgehalten und gesondert verhandelt werden. Angestrebt werde beim Betreuungsgeld eine Einigung „in der Sache“.

FDP-Insider deuteten mögliche Änderungen am Unions-Kompromiss an, etwa die Einführung von Fristen. Lob und Rückendeckung gab es in der Fraktionssitzung für die klare Haltung der Parteiführung um den Vorsitzenden Philipp Rösler in dieser Frage.

Brüderle bekräftigte vor der Sitzung allerdings, neben dem Betreuungsgeld stünden im Koalitionsvertrag eine ganze Reihe von Dingen, die Wunsch der FDP und bislang nicht umgesetzt seien. Auch darüber werde zu sprechen sein, sagte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Vertagstreue gelte nicht nur für die FDP.

„Ernste Situation” für die Koalition

Das FDP-Präsidium hatte am Montag den Unions-Kompromiss zum Betreuungsgeld vor allem wegen der damit verbundenen weiteren Haushaltsbelastungen abgelehnt. Dieser sieht unter anderem verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder vor, deren Eltern Betreuungs- oder Elterngeld erhalten wollen. Zudem ist die Wahlfreiheit zwischen einer Barauszahlung und einem Zuschuss für die Altersvorsorge von Müttern vorgesehen, die ihre ein- und zweijährigen Kinder komplett zuhause erziehen. In diesem Fall würde statt der Auszahlung von 150 Euro Betreuungsgeld ein Zuschuss von 165 Euro für eine Riester- oder Rürup-Rente gewährt. Angesichts erwarteter Mehrkosten von gerade mal zwölf bis 15 Millionen Euro wegen der alternativen Altersvorsorge sei schwer verständlich, wieso die FDP von völlig veränderten Grundlagen spreche, kritisierte Hasselfeldt.

Der Streit belastet die Koalition erheblich. Sowohl Grosse-Brömer als auch Hasselfeldt sprachen von „einer ernsten Situation“ - ähnlich wie CSU-Chef Horst Seehofer, der trotz erheblicher Vorbehalte in CDU und FDP auf der Einführung des Betreuungsgeldes beharrt. FDP-Chef Philipp Rösler betonte dagegen in der „Passauer Neuen Presse“, er gehe nicht davon aus, dass der Vorgang zum Koalitionsbruch führe. Auch Brüderle sieht die Koalition „in keinster Weise gefährdet“. Jeder habe seine Themen, die ihm besonders am Herzen lägen. Die Gespräche würden im fairen Miteinander geführt.

Weiterer Zeitplan unklar

Am Dienstag blieb offen, wie der weitere Zeitplan in der Koalition aussieht. Brüderle zeigte sich überzeugt, dass die drei Parteichefs zeitnah zu einer Lösung kommen werden. CSU-Chef Horst Seehofer räumte ein, dass der Termin für die ursprünglich geplante Verabschiedung am 18. Oktober nicht zu halten sein wird. Eigentlich hatte er das Vorhaben bis zum CSU-Parteitag am

19. Oktober in trockenen Tüchern sehen wollen. Gefragt seien jetzt „ein hohes Maß an Geduld und starke Nerven“, sagte der bayerische Ministerpräsident. Die Union sei durch die Auseinandersetzung noch ein Stück stärker zusammengerückt. Auch Hasselfeldt sagte, Zeitdruck gebe es nicht. „Wir werden den Parteitag mit Sicherheit mit und ohne Betreuungsgeld erfolgreich über die Bühne kriegen.“

Die SPD forderte erneut, die Koalition solle das Gesetzesvorhaben aufgeben. „Das Betreuungsgeld ist eine familienpolitische Rolle rückwärts“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende Manuela Schwesig. Kritik kam auch von der Arbeiterwohlfahrt