Die CSU findet, dass der Plan der Europäischen Zentralbank zum Kauf von Staatsanleihen infrage gestellt ist. Das sieht die SPD anders.

Berlin. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zum europäischen Fiskalpakt schlägt die Stunde der Interpreten. Das Gericht hatte am Mittwoch eine Beteiligung Deutschlands an den europäischen Projekten unter Auflagen erlaubt. Die CSU findet, dass damit der Plan der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Kauf von Staatsanleihen infrage gestellt ist. Das sieht die SPD anders. Umstritten ist auch, ob eine weitere Bundestagsabstimmung angebracht wäre. In der Bevölkerung wird die Karlsruher Entscheidung überwiegend skeptisch aufgenommen.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch Eilanträge gegen die deutsche Beteiligung am ESM zurückgewiesen, jedoch verlangt, dass die Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro ohne Zustimmung des deutschen Vertreters in den ESM-Gremien nicht erhöht werden dürfe und Bundestag und Bundesrat umfassend informiert werden.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), wies den Eindruck zurück, Deutschland bekomme eine „Extrawurst“. Er sei überzeugt, dass die Deutschen bei den Partnern „auf Verständnis für ihre Punkte stoßen werden“, sagte er im Deutschlandfunk.

Steinbrück beklagt Versagen beim Krisenmanagement

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im SWR, das Urteil sei eine „Aufforderung, die jetzt eingerissene Praxis oder geöffnete Praxis hin zu Anleihekäufen zu ersetzen durch ein Modell, das diese unbegrenzte und nicht limitierte Schuldenunion ersetzt durch eine Form kontrollierter Vergemeinschaftung von Risiken“. Dazu sei ein Fonds zur Tilgung von Altschulden geeignet.

Auch der SPD-Politiker Peer Steinbrück plädierte für einen solchen Fonds. „Die Europäische Zentralbank ist durch das Versagen des politischen Krisenmanagements endgültig zum einzigen handlungsfähigen Akteur gezwungen worden“, beklagte er in der „Passauer Neuen Presse“. Das Ergebnis sei, „dass die EZB ohne demokratische Kontrolle eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertür betreibt“.

Dagegen nannte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in der „Welt“ das Urteil ein klares Signal „in Richtung der Europäischen Zentralbank, dass keine unübersehbaren Haftungen für Deutschland entstehen dürfen“. Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) mahnte im TV-Sender Phoenix: „Die Rollenverteilung zwischen Politik und EZB darf nicht verwischt werden.“ Die EZB dürfe sich nur innerhalb ihres Mandats bewegen und Geldpolitik betreiben. „Ihr Auftrag ist nicht die Finanzpolitik“, betonte Meister.

Kipping will „Sozialklausel“ für ESM

Nach Ansicht der Linke-Vorsitzenden Katja Kipping sollte der Bundestag nun erneut über den ESM abstimmen. Das entspreche dem Geist des Urteils, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt“. Das Parlament solle eine „Sozialklausel“ beschließen: „kein Euro ohne Zustimmung des Bundestags und kein Sozialabbau für die Euro-Rettung“. Trittin wies die Forderung zurück. Eine erneute Abstimmung sei nicht nötig, sagte er im SWR.

In der Bevölkerung stieß die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht auf wenig Begeisterung. Lediglich die Hälfte der Teilnehmer (48 Prozent) zeigten sich in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF zufrieden mit dem Urteil. 39 Prozent waren mit der Entscheidung nicht einverstanden, 13 Prozent hatten keine Meinung.

27 Prozent der Befragten gaben an, dass mit dieser Entscheidung die Interessen Deutschlands ausreichend berücksichtigt wurden, 61 Prozent sahen dies nicht so. Eine deutliche Mehrheit von 78 Prozent bezweifelte zudem, dass mit dem Inkrafttreten des ESM die Lösung der Eurokrise entscheidend vorankommt.