Neues SPD-Konzept: 850 Euro Mindestrente und Ausbau der Privatvorsorge. Von der Leyen muss für ihren Vorschlag einen Proteststurm ertragen.
Berlin. Norbert Blüm kämpft dieser Tage um sein politisches Vermächtnis. Um eines, das aus einem kurzen Satz besteht, aus einem Versprechen, an das Generationen von Deutschen geglaubt haben. "Die Rente ist sicher." Was darf man von diesem Spruch aus den 80er-Jahren der Bonner Republik noch erwarten? Blüm, der 16 Jahre lang als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die personifizierte Moral für Arbeitnehmer und Rentner darstellen durfte, sieht sein Vermächtnis bedroht. Der demografische Wandel, dieses immer ungesünder werdende Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern, bringt das blümsche Umverteilungssystem in die Bredouille.
Die Rente sei sicher, sagte Blüm in dieser Woche in einem Radiointerview. Aber die Rentenkasse brauche das Geld, um anständige Renten zahlen zu können. "Das ist, wie wenn Sie in Ihr Auto in den Benzintank nicht genug Benzin geben. Fängt der Motor an zu stottern, hat das nichts mit dem Motor zu tun, sondern mit zu wenig Tankfüllung."
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Ursula von der Leyen, Blüms Parteifreundin und heutige Arbeitsministerin, will es trotz des sich leerenden Tanks beim Generationenvertrag belassen. Aber ihren Kampf gegen die Ungerechtigkeiten des Systems - etwa dass jahrzehntelanges Einzahlen eines Niedrigverdieners ihm als Rentner kein Leben oberhalb der staatlichen Grundsicherung ermöglicht -, diesen Kampf will sie noch austragen.
Die CDU-Politikerin muss sich beeilen. Was in diesem Herbst nicht mehr beschlossen wird, wird es im Wahljahr kaum in den Bundestag schaffen. Für diesen Endspurt schickt von der Leyen die Zuschussrente ins Rennen, mit der Geringverdiener ihre Ruhestandsbezüge auf 850 Euro aufstocken können. Bedingungen für den Zuschuss sollen 40 Versicherungsjahre, 30 Beitragsjahre sowie eine private Altersvorsorge sein. Seit einer Woche muss die Ministerin dafür einen Proteststurm ertragen - sowohl die FDP als auch junge Unionsabgeordnete und Sozialverbände halten ihr Konzept für falsch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel war anfangs für die Zuschussrente, dann wurde sie kritisch, und am Freitag ließ sie ihren Sprecher Steffen Seibert klarstellen, dass sie "natürlich" uneingeschränktes Vertrauen in ihre Ministerin habe. Von der Leyen sei Rentenministerin, und es sei daher "richtig und wichtig", dass sie beharrlich auf das Thema hinweise. Was aber für von der Leyen die entscheidende Botschaft war: Im Herbst wird geklärt, wie die Bundesregierung weiter vorgeht. Die FDP will einen schwarz-gelben Konsens erreichen, um eigene Vorstellungen unterbringen zu können. CSU-Chef Horst Seehofer fordert noch vor der nächsten Bundestagswahl eine möglichst parteiübergreifende Lösung.
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Doch die SPD hat andere Pläne. Die Sozialdemokraten legten am Freitagabend ein eigenes Konzept gegen die Altersarmut vor. Das 33-Seiten-Papier, das von Parteichef Sigmar Gabriel über Monate mit Sozialexperten der Partei und von Vertretern der Gewerkschaften IG Metall und IG Bergbau-Chemie-Energie ausgearbeitet wurde, sieht folgende Eckpunkte vor: Wer 40 Jahre Vollzeit arbeitet, soll eine Mindestrente von 850 Euro im Monat bekommen. Für Geringverdiener und Beschäftigte mit langer Arbeitslosigkeit, die aber mindestens 30 Jahre Beiträge gezahlt haben, soll die Grundsicherung im Alter durch Steuermittel aufgestockt werden. Der SPD-Vorstand will das neue Rentenkonzept am Montag erstmals beraten. Gabriel will vor allem die Betriebsrente massiv ausbauen. Sie soll Vorrang vor der Riester-Rente haben. Jeder Arbeitnehmer soll bereits ab der Einstellung obligatorisch in eine Betriebsrente einzahlen und nur auf eigenen Widerspruch davon befreit werden. Wer zwei Prozent des lohnsteuerpflichtigen Bruttolohns in eine betriebliche Altersversorgung umwandelt, erhält pauschal 400 Euro als Förderung aus Steuermitteln. Mit der "Betriebsrente plus" sollen finanzielle Einbußen abgemildert werden, die durch die beschlossene Senkung des Rentenniveaus von derzeit 51 auf 43 Prozent bis zum Jahr 2030 auf künftige Rentner zukommen.
Festhalten will die SPD prinzipiell auch an der Einführung der Rente mit 67. Deutliche Korrekturen werden aber bei der Erwerbsminderungsrente vorgeschlagen. "Wer krank ist, darf nicht arm werden", heißt es. Die bisherigen Abschläge müssten abgeschafft und Zurechnungszeiten verlängert werden. Kindererziehungszeiten berufstätiger Frauen sollen stärker auf die Altersversorgung angerechnet werden, um sie besser vor Armut im Alter zu schützen.