Die Gefahr von Altersarmut muss in den Köpfen ankommen
Ursula von der Leyen bekommt es gerade von allen Seiten ab - und zwar so richtig. Ihre vor einer Woche präsentierten Zahlen, nach denen jeder mit einem Bruttogehalt unter 2500 Euro von Altersarmut bedroht ist, haben nicht nur der Bundesarbeitsministerin persönlich, sondern auch ihrem Vorschlag einer Zuschussrente heftige Kritik eingebracht. "PR-Nummer in eigener Sache", schimpfte die FDP und vermutete, von der Leyen wolle sich nur ins Rampenlicht bringen. Weniger drastisch, aber deutlich, sind auch viele Unions-Politiker inklusive Kanzlerin von ihr abgerückt. Von der Leyen allein auf weiter Flur, die Zuschussrente politisch tot - die Ministerin, so scheint es, ist gehörig vor die Wand gefahren.
Dabei hat sie vieles richtig gemacht. Dass immer weniger Beitragszahler nicht immer mehr Rentner finanzieren können, ist keine sensationell neue Nachricht, sondern seit Jahren bekannt. Trotzdem wird sie in Politik und Gesellschaft ziemlich gern verdrängt. Rente? Ist ja noch lange hin, kümmern wir uns später drum. Armut? Betrifft doch nur die anderen.
Dass genau diese Haltung fatal ist, hat von der Leyen per Holzhammermethode deutlich gemacht. Man kann ihr vorwerfen, nicht den elegantesten Weg gewählt zu haben: An die sozialen Abstiegsängste zu appellieren ist ein Mittel, auf das auch Populisten zurückgreifen. Sich nicht mit der Partei abzusprechen und mit einem riskanten Manöver den Alleingang zu wagen ist Stil jener, denen es um schnelle Aufmerksamkeit geht. Auf der anderen Seite: Es ist Zeit, dass die Gefahr von Altersarmut auch in der Mittelschicht in der Gesellschaft ankommt - gerade bei denen, die sich bisher nicht als Betroffene wahrgenommen haben.
Für von der Leyen ist es nicht das erste harte Gefecht. Nach Kita-Ausbau und Frauenquote bringt sie nun ein weiteres Thema nach vorn, bei dem es an die Grundüberzeugungen geht. Genau das hat sie auch über die Parteigrenzen hinaus bekannt gemacht - und genau das ist für die CDU wichtig. Von der Leyen kann sich deshalb erlauben, auch mal übers Ziel hinauszuschießen - vor allem, wenn es um ein solch wichtiges Thema geht.