Mineralölwirtschaft bestreitet Zusammenhang zwischen Biosprit und Hunger
Berlin. Seit Juni sind die Preise für Mais, Sojabohnen und Weizen auf dem Weltmarkt um 30 bis 50 Prozent gestiegen. Die Hitze in den USA, Ausfälle am Schwarzen Meer und Regenmangel in Indien verdüstern die Ernteprognosen. Die Teuerung ist das erste Warnzeichen für eine neue weltweite Hungerkrise. Langfristig hält die Nahrungsmittelproduktion ohnehin mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt.
Vor diesem Hintergrund hatte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) einen Verkaufsstopp für E10-Superbenzin in Deutschland gefordert. Beim katholischen Hilfswerk Misereor stößt Niebel auf Zustimmung. Niebels Vorstoß komme zur rechten Zeit, da die EU-Kommission im Herbst Rat und Parlament eine Zwischenbilanz über die Umwelt- und Sozialauswirkungen der Biosprit-Produktion in Drittstaaten vorlegen wolle. Zwar stamme derzeit ein Großteil der Produktion aus EU-Ländern. Aber bis 2020 werde die Einfuhr aus anderen Staaten massiv ansteigen, um die Vorgaben aus der Richtlinie zu erneuerbaren Energien umzusetzen, erläuterte ein Misereor-Experte.
"Es ist ungerecht und verantwortungslos, dass Menschen hungern müssen, damit wir mit einem scheinbar reinen Gewissen unsere Autos tanken können. Land muss zuerst dafür da sein, um Nahrungsmittel anzubauen", sagte der Sprecher des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Rainer Lang, der "Westdeutschen Zeitung".
Die Welthungerhilfe zeigte verhaltene Zustimmung. Im WDR sagte Präsidentin Bärbel Dieckmann, der Vorstoß sei zu kurzfristig gedacht. Ein Sprit-Verkaufsstopp werde die hohen Lebensmittelpreise aktuell nicht beeinflussen. Sie forderte, langfristige Strategien zu entwickeln - dazu könne auch ein Verbot des Biosprits gehören, aber auch mehr Investitionen in die Landwirtschaft. "Das ist zumindest kein falsches Signal", sagte Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, dem "General-Anzeiger". "Das Mindeste, was jetzt getan werden muss, ist das Einfrieren der Biosprit-Quote." Zwar sei E10 nicht der einzige Faktor, der zur Explosion der Nahrungsmittelpreise beitrage. "Aber es steht außer Frage, dass er zu den Preistreibern gehört."
Der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands, Klaus Picard, kritisierte Niebels Vorstoß dagegen als "Symbolpolitik" und bestritt den Zusammenhang zwischen Biosprit und Hunger. Er verwies darauf, dass auch der normale Kraftstoff fünf Prozent Ethanol enthalte. Das mache in der Menge viel mehr als die geringe Menge an E10. Viel wichtiger sei die Frage, wie man in Zukunft Biokraftstoff erzeugen werde. Auch die Landwirtschaft in den benachteiligten Ländern müsse stärker gefördert werden.
Der Kraftstoff E10 wird auf der Basis von Benzin hergestellt und enthält eine Beimischung von zehn Prozent Biokraftstoff. Damit will Deutschland die EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien umgesetzt haben, die vorsieht, dass bis 2020 jeweils zehn Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs im Transportsektor aus erneuerbarer Energie stammt.