Ob es politisch klug ist, als SPD-Kandidatin im nordrhein-westfälischen Wahlkampf ausgerechnet eine Sozialstaatsdebatte loszutreten, darf bezweifelt werden. Die ersten Reaktionen auf die Ideen der Hannelore Kraft weisen in eine andere Richtung: DGB und der Sozialverband VdK empören sich schon mit ihrer selbst gegebenen moralischen Überlegenheit, die bislang noch jede Debatte abgewürgt hat.
Gerade in Wahlkampfzeiten schlägt böse Polemik oft gute Programmatik. Und doch lohnt einmal mehr, sich vor der schnellen Entrüstung die Vorschläge anzuhören.
Hannelore Kraft spricht nicht wie Guido Westerwelle nur einige unliebsame Wahrheiten aus wie die von einer mangelnden Arbeitsfähigkeit vieler Erwerbsloser. Mit dem Vorschlag eines gemeinnützigen Arbeitsmarkts wagt sie auch einen Lösungsvorschlag. Menschen, die durch lange Arbeitslosigkeit von jeder geregelten Erwerbstätigkeit entfremdet sind, müssen behutsam zurück an die Arbeit geführt werden. Dies geht nur in einem gesellschaftlichen Konsens - und da sind Tätigkeiten wie die Mitarbeit in Altenheimen oder Vereinen sinnvoll. Entscheidend ist: Diese Jobs dürfen festen Arbeitsverhältnissen keine Konkurrenz machen, sondern müssen einen Mehrwert schaffen, welcher der Gesellschaft und den Betroffenen nützt. Dass dies funktionieren kann, hat das Institut der deutschen Wirtschaft gerade am Beispiel Hartz IV nachgewiesen.
Daher verdienen die Vorschläge eine sachliche Diskussion. Dass ausgerechnet die CDU in Nordrhein-Westfalen gegen das Kraft-Paket schießt, ist auch mit dem Wahlkampf nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss sich die Union des Jürgen Rüttgers fragen, ob sie der Linkspartei Konkurrenz machen will. Nur zur Erinnerung: Rüttgers war 2006 der erste Unionspolitiker, der sich auf die Hartz-Gesetze einschoss und ihre Demontage einleitete. Parteistrategisch mag das klug gewesen sein, staatspolitisch bleibt es verantwortungslos.