Polizisten hatten in vorangegangenen Anhörungen den Verfassungsschutz verdächtigt, Neonazis vor Razzien gewarnt zu haben.
Erfurt. Thüringens Ex-Verfassungsschutz-Präsident Helmut Roewer hat den Verdacht zurückgewiesen, dass der Geheimdienst V-Leute vor Polizeimaßnahmen gewarnt habe. Ihm sei nicht eine einzige Tatsache in dieser Hinsicht bekanntgeworden, sagte er am Montag vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Landtags in Erfurt. Er habe auch keinen Anlass, irgendjemand zu verdächtigen.
Polizisten hatten in vorangegangenen Anhörungen den Verfassungsschutz verdächtigt, Neonazis vor Razzien gewarnt zu haben. In einem Fall habe ein Verdächtiger, der sich später als V-Mann entpuppte, die Beamten um 6.00 Uhr morgens erwartet. Die Festplatte seines Computers war ausgebaut.
Ein anderer Verfassungsschützer stritt ab, dass das Amt regelmäßig Polizisten und Staatsanwälte zu laufenden Ermittlungen abgefragt habe. Der frühere Referatsleiter Rechtsextremismus, Karl Friedrich Schrader, widersprach damit Polizisten und Staatsanwälten, die im Ausschuss turnusmäßige Besuche von Verfassungsschützern beschrieben hatten. "Ich habe mit Verwunderung gelesen, dass gegen Brandt 35 Ermittlungsverfahren gelaufen seien. Das wusste ich nicht“, sagte Schrader zum damals wichtigsten V-Mann in der Szene, Tino Brandt. Er schließe aber aus, dass jemand ein Wissen um die Verfahren absichtlich verheimlicht habe.
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Brandt zählte zu den besten Quellen des Amtes und lieferte auch Informationen bei der Suche nach dem Neonazi-Trio, die aber in dieser Anhörung kein Thema ist. Beide Verfassungsschützer bezweifelten, dass Brandt wie von ihm behauptet 100.000 Euro Spitzelhonorar tatsächlich in die politische Arbeit gesteckt und damit das von ihm dominierte Neonazi-Netzwerk "Thüringer Heimatschutz“ finanziert habe. "Er war immer klamm bei Kasse“ und habe viel Geld für Technik und Handys ausgegeben, sagte Schrader.
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Roewer sagte, er habe keinen Kontakt zu Brandt gehabt und sich nicht in die Arbeit des für die V-Mann-Abschöpfung zuständigen Referats eingemischt. Er nannte keine Zahl der V-Leute. Der für V-Mann-Werbung zuständige Mitarbeiter hatte für die 90er Jahre von drei in der rechtsextremistischen Szene gesprochen sowie von zwei Informanten in Parteien wie DVU oder Republikaner. Nach Angaben des Innenministeriums von März schöpfte das Amt 1999 und 2000 noch eine weitere Quelle im "Heimatschutz“ ab.
Rechtsextremismus sei bereits vor 1994 ein Problem in Thüringen gewesen, sagte Roewer. Danach habe sich die Szene radikalisiert. "Die ursprüngliche Hypothese, nur doof und stark und arbeitslos, stimmte spätestens ab 1996 nicht mehr.“
Der Referatsleiter bestritt ebenso auch wie der V-Mann-Werber, von der umstrittenen Geheimdienstoperation "Rennsteig“ von 1997 bis 2003 gehört zu haben. Dabei hatten mehrere Dienste unter Führung des Bundesamtes mindestens acht V-Leute in Thüringen geworben, um Informationen über das Neonazi-Netzwerk "Thüringer Heimatschutz“ zu gewinnen. Zu ihm gehörte auch die "Kameradschaft Jena“ mit den drei Mitgliedern der späteren NSU-Terrorzelle.
Beide Verfassungsschützer kritisierten die Amtsführung des damaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Helmut Roewer. Schrader sprach von "schäbigem“ Verhalten im Umgang mit Mitarbeitern und monierte Auftritte Roewers mit nackten Füßen im Amt. Der V-Mann-Werber kritisierte fachliche Entscheidungen Roewers und kritisierte, dass Informationen über Quellen "in Kaffeerunden“ ausgetauscht worden seien.
Nach vier Stunden Wartezeit für ihn und fast vier Stunden Vernehmung wurde die Befragung von Roewer vorerst beendet. Es gebe auch eine Fürsorgepflicht des Ausschusses, sagte die Vorsitzende Dorothea Marx (SPD) am Montagabend kurz nach 22 Uhr. Der Ausschuss werde noch über einen Termin für die Fortsetzung entscheiden. Am Dienstag hören die Abgeordneten Roewers Vorgänger Harm Winkler, den ehemaligen Innenstaatssekretär Michael Lippert und den früheren Innenminister Franz Schuster (CDU), unter dem Roewer 1994 eingestellt wurde