Wusste Verfassungsschutz über Nazi-Mord-Trio mehr, als bisher bekannt ist? Forderungen nach Offenlegung von Klarnamen der V-Leute.
Berlin. Nach dem Schreddern von Akten im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie stehen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und sein Präsident Heinz Fromm unter Druck. Innenpolitiker verlangten am Wochenende, die Affäre umfassend aufzuklären. Zuvor war bekannt geworden, dass die Behörde Unterlagen zur Neonazi-Mordserie vernichtet hatte.
Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger verlangte eine Offenlegung der Klarnamen von V-Leuten des Verfassungsschutzes. "Neben einer Rekonstruktion der Inhalte über andere Akten und einer Befragung von Zeugen muss der Untersuchungsausschuss in geeigneter Form Einblick in die Klarnamendatei der V-Leute ermöglicht werden", erklärte der Unions-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. "Wir müssen unbedingt eine Vorstellung bekommen, wer die V-Leute tatsächlich waren, die in den Akten beschrieben wurden."
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir monierte: "Da kommen viele Fragezeichen auf, die dringend aufgearbeitet werden müssen." Es reiche nicht aus, nur Beamte zu versetzen. "Der Fisch stinkt vom Kopf her", sagte er. Auch der CSU-Innenexperte Stephan Mayer äußerte in der "Bild"-Zeitung Zweifel an der Eignung von Behördenchef Fromm: "Die Affäre wirft die Frage auf, ob Fromm den Verfassungsschutz noch im Griff hat. Das muss Konsequenzen haben." Der FDP-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Hartfrid Wolff, nannte den Vorgang im SWR "sehr, sehr gravierend". Die Linken-Vertreterin im Untersuchungsausschuss, Petra Pau, fragte: "Galt die Akten-Schredderei im Verfassungsschutz als das kleinere Übel? Wenn ja, was wäre dann das größere? Offenbar der Inhalt der Akten."
Verfassungsschutzpräsident Fromm sieht sein Amt durch die Aktenvernichtung gravierend beschädigt. Es sei ein erheblicher Vertrauensverlust eingetreten, sagte er dem "Spiegel". Ein Referatsleiter seines Hauses hatte im November 2011 Akten über V-Leute beim rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz", dem die späteren Mitglieder des Zwickauer Terrortrios angehörten, vernichtet. Er hatte wahrheitswidrig behauptet, die Akten seien bereits im Januar 2011 geschreddert worden. Gegen den Beamten wurden inzwischen disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet.
Die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Die Opfer waren neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin.
Mit Material von dpa