Kleinstgremium für die Euro-Rettung kommt der Exekutive zu nahe
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht zweifelt an der Rechtmäßigkeit des geheim tagenden Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms EFSF. Es berge einige Gefahren, wenn nur neun Bundestagsabgeordnete exklusiv wichtige Informationen im Zuge der Euro-Rettung erhielten und dann eine Entscheidung treffen müssten, gab Verfassungsrichter Udo di Fabio gestern in Karlsruhe zu bedenken. Dagegen verwies Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der mündlichen Verhandlung auf die sensible Situation der Finanzmärkte: "Die Entscheidungsfähigkeit des EFSF darf nicht unmöglich gemacht werden." Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle bezweifelte, dass das Gericht noch vor Weihnachten sein Urteil verkünden werde (Az.: 2 BvE 8/11).
Das Gericht verhandelte über eine Organklage der beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz und Peter Danckert. Sie wehren sich dagegen, dass vertrauliche und eilige Entscheidungen über Finanzhilfen für notleidende Euro-Staaten von einem aus nur neun Bundestagsabgeordneten bestehenden Gremium beschlossen werden können. Durch den Sonderausschuss werde eklatant in seine Rechte als Abgeordneter eingegriffen, sagte Schulz. Die Kläger hatten einen Etappensieg errungen, als das Gericht den Sonderausschuss Ende Oktober vorläufig gestoppt hatte.
Eine Mehrheit der Richter äußerte sich in der Verhandlung kritisch. Das Gericht werde zwar Sachzwänge berücksichtigen, sich bei seiner Entscheidung aber vor allem vom Verfassungsrecht leiten lassen, stellte Vosskuhle zu Beginn der Verhandlung klar: "Die Forderung ,Not kennt kein Gebot' hat den Menschen nur sehr kurzfristig Glück gebracht." Er habe Zweifel, ob es richtig sei, die übrigen 611 Abgeordneten mit der Schaffung eines "Kleinst-Gremiums" aus der Verantwortung zu entlassen. Wenn man dem Plenum die budgetrechtliche Verantwortung entziehe, müsse es dafür gute Gründe geben, sagte Verfassungsrichter Peter Huber. Berichterstatter di Fabio kritisierte, dass der Ausschuss mit seiner Entscheidungsbefugnis in die Nähe der Exekutive rücke.
Die Situation in der europäischen Staatsschuldenkrise sei außergewöhnlich schwierig, warnte dagegen Schäuble: "Wenn Märkte reagieren, reagieren sie überzogen. Dann kommt Panik." Der EFSF müsse handlungsfähig bleiben. Bei einem Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zum Beispiel dürfe vorab nicht bekannt werden, wessen Anleihen bis zu welcher Höhe gekauft würden.
Die parlamentarische Erfahrung zeige, dass mit steigender Zahl der Beteiligten Pläne immer weniger geheim gehalten werden könnten, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier. Als weitere Beispiele für besondere Vertraulichkeit nannte er die Refinanzierung von Banken durch ihre Staaten sowie vorsorgliche Kreditlinien. Die Mitglieder des Gremiums seien außerdem vom Plenum gewählt worden und damit demokratisch legitimiert.