Austritte und Überalterung machen Schwarz-Gelb zu schaffen, die Mitgliederzaheln sinken. Nur die Grünen legen zu – um zehn Prozent.

Berlin. Ein herber Rückschlag für die Regierungsparteien: Union und FDP haben im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Mitglieder verloren. Erstmals in zehn Jahren waren die Verluste bei der CDU wieder größer als die der SPD. So hatten die Christdemokraten zum Jahreswechsel noch 505.314 (minus drei Prozent), die SPD 502.062 (minus zwei Prozent) Mitglieder. Inzwischen sind beide Volksparteien sogar unter die 500.000-Mitglieder-Marke gefallen. Das geht aus einer Studie des Berliner Parteienforschers Oskar Niedermayer hervor, die sich mit der Mitgliederentwicklung der Parteien seit 1990 beschäftigt.

Die FDP verlor demnach sogar fünf Prozent und hatte Ende des abgelaufenen Jahres noch 68.541 Mitglieder. Die CSU sank um 3,3 Prozent auf 153.890. Am stärksten verlor die Linkspartei mit einem Minus von 5,6 Prozent auf 73 658 Mitglieder. Einziger Gewinner waren die Grünen mit einem Plus von zehn Prozent auf fast 53 000.

"Die Mitgliederzahlen sind nicht zuletzt aufgrund der Altersstruktur rückläufig", hieß es zur Erklärung im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, auf Abendblatt-Anfrage. "Derzeit gelingt es allerdings nicht, die Abgänge über Neueintritte zu kompensieren." Tatsächlich haben die meisten Parteien mit massiver Überalterung zu kämpfen. Fast 38 Prozent der CDU-Mitglieder sind 66 Jahre oder älter, bei der CSU sind es 35,3 Prozent, die SPD kommt auf 35 und die FDP auf 23,4 Prozent. Besonders hoch ist der Wert bei den Linken: Hier sind 41 Prozent der Mitglieder älter als 66 Jahre. Die Grünen haben insgesamt die jüngsten Mitglieder: Nur 6,5 Prozent gehören zur ältesten Gruppe.

Schleswig-Holsteins FDP-Chef Jürgen Koppelin mahnte dazu, die Situation nicht zu dramatisch zu sehen. "Das Problem betrifft alle Parteien gleichermaßen. Mitgliedschaften sind zurzeit insgesamt nicht so attraktiv", sagte er dem Abendblatt. Natürlich bedauere man jeden Austritt, aber in anderen Zeiten gewinne man auch wieder neue Mitglieder - etwa vor Wahlen. "In Schleswig-Holstein hält sich das mittlerweile ganz gut die Waage, weil es nach Austritten auch wieder Neueintritte gegeben hat. Wir haben auch eine aktive Basis, die ihre Mitglieder sehr gut einbindet. Das macht viel aus."

Allerdings: Der Mitgliederschwund vor allem bei den Volksparteien ist ein seit nunmehr zwei Jahrzehnten anhaltender Trend. Zum Vergleich: 1991 besaßen rund 751 000 Bürger ein CDU-Parteibuch und 138 000 eines der FDP. Die SPD kam sogar auf etwa 920 000 Mitglieder.

Für die Parteien birgt der Mitgliederschwund handfeste Probleme, vor allem bei den Finanzen. Eine maßgebliche Säule der Einnahmen sind die Beiträge der Mitglieder. Je nach Einkommen werden etwa bei der SPD zwischen fünf und 245 Euro jeden Monat fällig. Die Sozialdemokraten hatten bereits vor einigen Wochen auf den Mitgliederschwund reagiert und ein Attraktivitätsprogramm vorgeschlagen: So könnten auch Nichtmitgliedern Stimmrecht bei internen Vorwahlen für öffentliche Ämter eingeräumt werden - etwa auch für die Kanzlerkandidatur. Parteienforscher Niedermayer, der die Grundlage für diesen Vorstoß für die Genossen entwickelt hat, sieht darin Potenzial auch für die anderen Parteien: "Die Organisationsreform der SPD ist, wenn sie durchgesetzt werden kann, durchaus auch eine Möglichkeit zur Gewinnung neuer Mitglieder und kann daher auch für die anderen Parteien interessant sein", sagte er dem Abendblatt.

Dass sich die Bürger von den Parteien abwenden, erklärt Niedermayer mit einer ganzen Reihe von lang- und kurzfristigen Gründen: Die Auflösung von ehemals festen sozialen Milieus, die Schwäche von Kirche und Gewerkschaften und das Aufkommen neuer politischer Beteiligungen durch soziale Bewegungen oder Bürgerinitiativen gehören dazu. Aber auch Wahlsiege und Niederlagen spielen eine Rolle - und die Probleme der Großparteien, ihrer heterogenen Klientel ein sinnvolles Politikangebot zu machen.

Dafür sprechen auch Forsa-Umfragewerte, wonach die Regierungsparteien weiterhin in einem Tief stecken: So kommt die Union auf 31 Prozent, die SPD auf 23 Prozent. Die Grünen bleiben mit 26 Prozent zweitstärkste Partei, die FDP erreicht nur vier, die Linke neun Prozentpunkte. Schwarz-Gelb kommt somit zusammen auf nur 35 Prozent, SPD und Grüne würden gemeinsam 49 Prozent erreichen.