Der 38-jährige Minister will die FDP als Parteichef und Vizekanzler aus der Krise holen
Berlin. Nach einem tagelangen Machtkampf hat sich die FDP auf einen Nachfolger von Parteichef Guido Westerwelle geeinigt. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler erklärte gestern nach mehrstündigen Sitzungen von Parteipräsidium, Landeschefs und Bundestagsfraktion, dass er im Mai für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren wird. Der 38-Jährige wird damit jüngster Parteichef in der Geschichte der FDP. Anders als von Beobachtern erwartet wird es vorerst jedoch keinen umfassenden Wechsel an der Spitze der Liberalen geben.
Rösler wird von Westerwelle auch die Funktion des Vizekanzlers übernehmen, behält jedoch seinen derzeitigen Posten als Gesundheitsminister. Zuvor war von einigen Liberalen vermutet worden, Rösler könnte Anspruch auf das Bundeswirtschaftsministerium von Parteifreund Rainer Brüderle erheben.
Rösler kündigte an, seine Kandidatur sei "nur der erste Schritt zu einer inhaltlichen und personellen Erneuerung" der FDP. "In den nächsten Tagen und Wochen werde ich gemeinsam mit der gesamten Partei intensiv daran arbeiten, das beste Team für das Präsidium unserer Bundespartei zusammenzustellen." Generalsekretär Christian Lindner, 32, solle dieses Amt aber auch weiterhin ausüben. Das neue Team an der Spitze müsse eine "Mischung aus jungen und erfahrenen Kräften" werden, sagte Rösler. Damit wies er Spekulationen über eine vollständige Verjüngung der Parteispitze zurück.
Die neue Führung der FDP wird Mitte Mai auf dem Bundesparteitag in Rostock gewählt. Die Diskussionen über weitere Personalentscheidungen dürften daher auch nach dem angekündigten Rücktritt Westerwelles nicht nachlassen. Nach wie vor ungewiss bleibt auch die Zukunft von FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, die nicht bei allen Liberalen beliebt ist.
Als ihr potenzieller Nachfolger wird vor allem der Landeschef der nordrhein-westfälischen FDP, Daniel Bahr, 34, gehandelt. Auch ihm soll nach dem Willen vieler Liberaler mehr Verantwortung an der Parteispitze übertragen werden. Nach wie vor unklar ist die Zukunft Brüderles. Der Wirtschaftsminister war zuletzt wegen seiner Äußerungen zum Atomausstieg unter Beschuss geraten. Der FDP-Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, sagte im Interview mit dem Abendblatt: "Ein kompletter Enthauptungsschlag hätte weder der Partei noch der Koalition gutgetan." Allerdings hoffe er weiterhin, dass es auch Veränderungen an der Spitze der Bundestagsfraktion gebe.
Der Koalitionspartner lobte die Personalentscheidung. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte dem Abendblatt, Rösler habe sich in den verschiedensten Partei- und Regierungsämtern auf Landes- und Bundesebene bereits sehr bewährt. "Wir als CDU freuen uns darauf, mit ihm die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Koalition fortzusetzen." Jetzt gelte es, dass sich die christlich-liberale Koalition mit ganzer Kraft den anstehenden Herausforderungen zuwende. Kritik kam von der Opposition. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht in Röslers Nominierung nur eine "kosmetische Bewegung". Dies allein reiche nicht, um die FDP aus ihrer politischen Sackgasse herauszuführen.