So war's: Wie Guido Westerwelle vor zehn Jahren Wolfgang Gerhardt aus dem FDP-Vorsitz drängte
Berlin/Hamburg. "Manchmal ist es besser, man bespricht Dinge gründlich und hat später keine Probleme." Dieser Satz stammt von einem, der zurzeit etliche Probleme zu besprechen hat. Guido Westerwelle hat so getönt, nachdem er Wolfgang Gerhardt dazu gezwungen hatte, ihm den Bundesvorsitz der Liberalen zu überlassen.
Zehn Jahre ist das her. In den Mittagsstunden des 4. Januar war Westerwelle von Berlin nach Hamburg gefahren, um Gerhardt die Pistole auf die Brust zu setzen, der sich anlässlich des bevorstehenden Neujahrsempfangs der Hamburger Liberalen im Atlantic-Hotel eingemietet hatte. Anderthalb Stunden dauerte dieser letzte Machtkampf, dann gab sich Gerhardt geschlagen. Dem sei irgendwann der Kampfgeist ausgegangen, meinte ein Präsidiumsmitglied später.
Und genauso war es. Um viertel nach sechs traten der neue und der alte Parteivorsitzende in der Hotellobby vor die Presse. Der eine hatte Mühe, seinen Triumph zu verbergen, der andere tat sich schwer, Haltung zu bewahren. "Nicht einfach" seien die zurückliegenden Gespräche für ihn gewesen, erklärte Gerhardt erschöpft, während Westerwelle kundtat, man sei in "großer persönlicher Übereinstimmung" zu dieser Entscheidung gelangt und dass künftig jeder "auf eigene Weise" zum Erfolg der Partei beitragen werde. Geschichte, heißt es, wiederhole sich nicht, aber nach den Landtagswahldebakeln in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist man sich da in der FDP nicht mehr so sicher. Auch damals sorgten sich die Liberalen in Stuttgart und Mainz um den Fortbestand ihrer Regierungsbeteilungen.
Die monatelange Personaldebatte, ließen sie die Berliner Zentrale wissen, verbessere die Aussichten nicht unbedingt. "Wir haben Wahlkämpfe", sagte der baden-württembergische FDP-Chef und stellvertretende Bundesvorsitzende Walter Döring genervt, "und müssen uns mit Wichtigerem befassen als mit Personaldiskussionen!"
Wolfgang Gerhardt, der das Amt 1995 von Klaus Kinkel übernommen hatte, galt damals als Parteivorsitzender ohne Fortune. Offiziell wurde er von Guido Westerwelle auf dem FDP-Bundesparteitag abgelöst, der im Mai 2001 in Düsseldorf stattfand. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion durfte Gerhardt von Westerwelles Gnaden zunächst bleiben. Vollständig entmachtet wurde er fünf Jahre später.
Seit gestern ist Westerwelle in der Situation, in der Gerhardt damals war - der des scheidenden Parteivorsitzenden. Lange wagte niemand, dem Mann aus Bad Honnef die Macht zu entreißen. Die Lindners und Röslers fühlen sich Westerwelle zu Loyalität verpflichtet. Das änderte sich erst in den vergangenen Tagen.
Westerwelle hat mehr zu verlieren als Gerhardt damals. Wird Gesundheitsminister Philipp Rösler neuer Parteichef, wird er versuchen, auch Vizekanzler zu werden. Guido Westerwelle steht vor einem Abschied auf Raten. Wie sagte Generalsekretär Lindner gestern? Westerwelle gehöre weiter "zum Team der FDP".