Fehlstart für Innenminister Hans-Peter Friedrich: Bei der ersten Islamkonferenz unter der Leitung des CSU-Politikers kommt es zu einem Eklat.
Berlin. Zwischen dem neuen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und den Muslimen in Deutschland ist es erneut zu einem Zerwürfnis gekommen. Bei der ersten Islamkonferenz unter Friedrichs Leitung haben dessen Vorschläge zur Extremismus-Prävention harsche Kritik unter den muslimischen Vertretern des Gremiums hervorgerufen.
Friedrich hatte bei dem gestrigen Treffen eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden angeregt, um islamistischen Terrorismus gezielter zu bekämpfen. Durch stärkere Sensibilisierung der muslimischen Verbände und Kampagnen mit muslimischen Idolen "wollen wir Jugendliche davor bewahren, Rattenfängern auf den Leim zu gehen", sagte Friedrich. Für das Frühjahr hat der Innenminister einen "Präventionsgipfel" anberaumt. Anlass der "Sicherheitspartnerschaft" sei der Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen Anfang März, der offenbar durch einen durch das Internet radikalisierten Jugendlichen verübt wurde.
Neun der zehn muslimischen Einzelpersonen, die neben den sechs Verbandsvertretern an der Islamkonferenz teilnahmen, unterzeichneten eine Erklärung, die die Aussagen heftig kritisiert. Sie rüttelten an den Grundlagen des Vertrauens zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Muslimen. Ihnen komme eine "gefährliche symbolische Funktion" zu, hieß es. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika sagte, so werde statt der Integration "eine zweifelhafte und sehr bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter den Muslimen" gefördert.
"Ich bin über den Vorstoß von Innenminister Friedrich völlig entsetzt", sagte auch die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, dem Hamburger Abendblatt. "In seinen Worten schwingen so viele Unterstellungen an die Muslime mit. Über die Kritik, die ihm jetzt entgegenschlägt, darf er sich nicht wundern." Friedrich selbst sprach angesichts der Verärgerung der Muslime von einem "Missverständnis". Es gehe ihm darum, muslimische Verbände zu sensibilisieren, damit sie frühzeitig erkennen, wenn sich Jugendliche radikalisieren. Unterstützung bekam der Innenminister aus seiner Partei. Der Integrationsbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Stefan Müller (CSU), nannte als Beispiel das Phänomen der Abkapselung ganzer Stadtteile gegenüber der einheimischen Bevölkerung. "Dort liegt in meinen Augen eine ganz wesentliche Voraussetzung für das Entstehen und Gedeihen extremistischer Gruppen", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Ein Präventionsgipfel "könnte und sollte bewirken, dass alle Beteiligten Defizite als solche anerkennen und an ihrer Behebung arbeiten."
Die Hamburger SPD-Abgeordnete Özoguz nannte Friedrichs Premiere bei der Islamkonferenz jedoch einen "Fehlstart". Der Innenminister hätte am Anfang um das Vertrauen der ohnehin sehr skeptischen muslimischen Verbände werben müssen. "Stattdessen gibt er sich spaltend. Er macht so viel von dem kaputt, was andere seit Jahren für eine gelingende Integration aufgebaut haben." Friedrich missbrauche zudem die Teilnehmer der Islamkonferenz, um sein eigenes politisches Profil als "Hardliner" zu schärfen. "Die Muslime sollten nicht mehr an der Islamkonferenz teilnehmen, bis ein anderer die Leitung übernimmt", forderte Özoguz.
Friedrich steht seit seinem Amtsantritt Anfang März in der Kritik, als er gesagt hatte: "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt." Der Minister verteidigte seine Äußerung gestern im ARD-"Morgenmagazin" erneut: Die in Deutschland lebenden Muslime gehörten selbstverständlich zu dieser Gesellschaft. Wenn es aber um die Identität des Landes gehe, sei die Antwort ganz klar: "Das ist die christlich-abendländische Kultur."
Friedrichs Kabinettskollegin, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ermahnte den Minister, die Islamkonferenz dürfe nicht zu einem Ort der Konfrontation werden. Betrachtungen, wann welche Religion Deutschland wie stark geprägt habe, eigneten sich nicht als Begleitmusik für eine Konferenz, die Integration fördern solle. "Es hinterlässt Fragezeichen, wenn die in der Konferenz vertretenen Muslime offener für andere Religionen wirken als der amtierende Innenminister", betonte sie. Auch der Vorschlag Friedrichs einer Sicherheitspartnerschaft nehme den muslimischen Glauben nicht als Teil von Deutschland wahr, sondern als Quelle von Extremismus und Radikalisierung.