Zu Hause tobt die Affäre um die Plagiatsvorwürfe in der Doktorarbeit des Verteidigungsministers. Der übernachtet bei Soldaten in Afghanistan.

Hamburg/Kundus. Am Tag nach den Vorwürfen wacht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg 4500 Kilometer südöstlich von Berlin auf. Er hat die Nacht im Außenposten Nord der Bundeswehr in der afghanischen Unruheprovinz Baglan verbracht. Am Mittwochabend ist er dort zu einem Überraschungsbesuch eingetroffen. Am Donnerstagmorgen besucht er einen weiteren Außenposten, bevor er am Nachmittag im Feldlager Kundus eintrifft. Es ist Guttenbergs neunter Besuch am Hindukusch, allerdings seine erste Übernachtung im Kampfgebiet.

Die Reise sei bereits lange geplant, versichert ein Sprecher Guttenbergs in Berlin, und habe nichts mit der Kritik an der Doktorarbeit des Ministers zu tun. Journalisten hat Guttenberg auf seinem Kurztrip nicht dabei. Gegen Mittag explodiert in der Provinz eine Bombe und tötet zwei Afghanen. Da aber ist Guttenberg schon abgereist.

Während Guttenberg noch die Truppe vor Ort inspiziert, baut sich in Deutschland die Woge der Kritik an dem CSU-Politiker weiter auf. Frühmorgens meldet die "Welt", die Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig fordere, dass Guttenberg seinen Doktortitel verlieren müsse. Guttenberg hatte die ersten Absätze der Einleitung seiner Dissertation aus einem Aufsatz Zehnpfennigs in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" abgeschrieben - ohne dies als Zitat zu kennzeichnen. Später melden sich zwei SPD-Politiker zu Wort. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagt der "Mitteldeutschen Zeitung", Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sei als Verteidigungsminister ungeeignet, sollte ihm der Doktortitel wegen der Plagiatsvorwürfe aberkannt werden. "Guttenbergs Glaubwürdigkeit wäre dann völlig zerstört." Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler sieht die Autorität Guttenbergs durch die jüngsten Täuschungsvorwürfe massiv beschädigt. Dagegen fordert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine sachliche Aufklärung der Plagiatsvorwürfe. Die Vorwürfe "sollten ganz in Ruhe aufgeklärt werden", sagt sie dem Hamburger Abendblatt.

Kurz vor Mittag zeichnet sich ab, wie gravierend die Plagiatsvorwürfe Guttenberg beschädigen könnten. Nun sieht auch der Parteienforscher Gerd Langguth die politische Karriere des Bundesverteidigungsministers ernsthaft bedroht.

Eine Schummelei "könnte zu Guttenberg eher das Amt kosten als eine so politisch schwerwiegende Frage wie Kundus", sagte der Professor an der Universität Bonn dem "Handelsblatt". Auch die Internetgemeinde hat sich inzwischen auf Guttenberg eingeschossen: Auf der Internetseite "GuttenPlag Wiki" haben sich Plagiatsjäger zusammengeschlossen und dokumentieren, wo der Politiker möglicherweise abgeschrieben hat. Die freiwilligen Helfer zählen bis Donnerstagmittag mehr als 20 Fundstellen, von denen der größte Teil aber bereits aus Medien oder der Rezension des Politikwissenschaftlers Andreas Fischer-Lescano bekannt ist.

Am Mittag schreibt "Spiegel Online", Guttenberg habe auch einen Absatz von der Website der US-Botschaft ohne Fußnote verwendet und sich aus einem Beitrag des CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab zum europäischen Föderalismus bedient. Außerdem habe er mehrere Absätze aus einer Rede des Jura-Professors Gerhard Casper ohne Hinweis verwendet.

Am frühen Nachmittag malt ein weiterer Meinungsforscher ein düsteres Szenario: "Das erste Mal kann dem Verteidigungsminister etwas wirklich schaden", meint Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Warnungen dürften Guttenberg allerdings nicht mehr erreichen. Zu dieser Zeit sitzt er bereits wieder im Flieger zurück nach Deutschland. Nur 24 Stunden hat sein Blitzbesuch am Hindukusch gedauert. Einen für den gestrigen Abend geplanten Wahlkampf-Auftritt in Sachsen-Anhalt sagt der Verteidigungsminister spontan ab. Er sei in Berlin "unabkömmlich", hieß es zur Erklärung. In Barleben hätte er vor Mitgliedern des CDU-Kreisverbandes Börde über die Neugestaltung der Bundeswehr sprechen sollen. Unwahrscheinlich, dass es dabei geblieben wäre.