Minister Guttenberg sollte auf seinen Doktortitel verzichten.
Transparenz und Offenheit gelten als die politischen Leitmotive Karl-Theodor zu Guttenbergs. Um der Wahrheit und dem Anstand zu dienen, hat der Verteidigungsminister schon prominente Opfer gebracht. Auf die Vorwürfe in der Kundus-Affäre warf er Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert aus ihren Ämtern. Als nach dem Tod einer Kadettin auf der "Gorch Fock" die Führung des Segelschulschiffs scharf kritisiert wurde, setzte er Kapitän Schatz umgehend ab. Angesichts der Plagiatsvorwürfe scheint erneut die Zeit gekommen, ein Opfer zu bringen. Nur etwas ist diesmal anders: Guttenberg müsste bei sich selbst anfangen.
Man weiß von keinem anderen Kabinettsmitglied, das seit seinem Amtsantritt im Herbst 2009 mit derartiger Härte und Entschlossenheit gegen das eigene Personal vorgegangen ist. Es ist auch diese Radikalität, die ihm eine einzigartige Bewunderung eingebracht hat. Da ist einer, der wirklich unabhängig ist, heißt es vom adligen Minister. Von einem, der Fleiß, Glaubwürdigkeit und Moral in sich zu vereinen weiß, ist die Rede. Der Minister wird als besonderer Mensch wahrgenommen, weil man besondere Werte mit ihm verbindet. An Vorbilder aber legt man auch besonders strenge Maßstäbe an. Die wachsende Aufregung um seine in Teilen abgeschriebene Dissertation hat augenscheinlich viel mit seinem Anspruch an die eigene Amtsführung zu tun.
Für eine Skandalisierung taugt die Causa Doktorarbeit aber nicht. So peinlich der Vorgang auch sein mag: Guttenberg ist kein Felix Krull, er ist kein Betrüger und kein Hochstapler. Einem Verteidigungsminister, der - wie am Mittwoch geschehen - bei den deutschen Truppen an ihrem gefährlichsten Einsatzort in Afghanistan übernachtet, sollte man nicht Pflichtvergessenheit vorwerfen.
Die Glaubwürdigkeit hat dennoch Schaden genommen. Dem Ärger über die wissenschaftliche Schlamperei könnte bald der Spott über den "Schummeldoktor Guttenberg" folgen. So weit sollte es Guttenberg nicht kommen lassen. Noch kann er der möglichen Demütigung einer Aberkennung des Doktorgrads entgehen. Es entspräche seinem Amtsverständnis, wenn er nicht nur einen Fehler einsieht, sondern wie in früheren Fällen hart durchgreift. Auf den Doktor zu verzichten würde seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden.