Die Verlängerung des Afghanistan-Mandats sorgt für Kritik, da ein konkreter Abzugstermin fehlt. Die Koalition rechnet trotzdem mit einer Mehrheit.
Berlin. Kurz vor der Bundestags-Entscheidung über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats am heutigen Freitag haben SPD und Grüne die Bundesregierung erneut aufgefordert, einen konkreten Abzugstermin für die am Hindukusch stationierten Truppen festzulegen. "Im Mandatstext fehlt eine klare Planung des Abzugs. Die Bundesregierung spricht von einem Abzugsbeginn 2011 nur im Konjunktiv", sagte Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt dem Hamburger Abendblatt. US-Präsident Barack Obama habe bereits klargestellt, dass die amerikanischen Truppen im Juli dieses Jahres abgezogen würden. "Schwarz-Gelb eiert in diesem Punkt rum", kritisierte Schmidt, "das verstehen wir nicht."
Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier beharrt auf einem konkreten Abzugsdatum. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, bei künftigen Abstimmungen müsse die Regierung einen Termin für den Rückzug nennen. "Wenn sie es nicht tut, dann wird es mit einer Zustimmung mit der SPD beim nächsten Mandat schwierig." Die Grünen würden sich bei der Abstimmung deshalb mehrheitlich enthalten, sagte Schmidt.
Die SPD will zu großen Teilen für eine Verlängerung des Mandats stimmen. Demnach soll die Bundeswehr ihren Einsatz im Rahmen der Internationalen Schutztruppe Isaf vorerst bis zum 31. Januar 2012 fortsetzen. Erstmals gibt es eine Abzugsoption. Konkret heißt es: "Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können." Dabei werde man jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, "soweit die Lage dies erlaubt, ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden".
Die breite Mehrheit von Union und FDP hält das für ausreichend. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, appellierte an die Opposition, dem Mandat zuzustimmen. "Im Interesse unserer Soldaten sollte der Bundestag der Mandatsverlängerung seine breite Zustimmung geben. Wir setzen auf die SPD und die Grünen", sagte er dem Abendblatt. "Wenn beide Fraktionen mit deutlicher Mehrheit für das Mandat stimmen, dann ist das ein wichtiges Signal für unsere Truppe in Afghanistan." Die Leistung der Soldaten verdiene ein gutes Abstimmungsergebnis. Keine Erwartungen habe er dagegen von den Linken. "Die Linke hat sich immer der Verantwortung entzogen und hat sich gegenüber unseren Soldaten gegenüber immer schäbig verhalten." Die Partei will erneut gegen die Verlängerung des Mandats stimmen und fordert einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
Mit Blick auf die Forderungen von SPD und Grünen warnte Müller: "Ein festes Abzugsdatum würde die afghanische Bevölkerung verunsichern und die Taliban stärken." Natürlich gelte: je früher, desto besser. Entscheidend sei, dass die afghanischen Behörden für die Sicherheit des Landes selbst die Verantwortung tragen müssen, bevor die deutschen Soldaten mit dem Abzug beginnen können.
Geschlossen wird wohl keine der Fraktionen stimmen. Bei CDU und FDP sind bereits einige wenige Abweichler bekannt, und auch bei der CSU werde ein Kollege "wohl dagegenstimmen", sagte Müller. Auch bei den Grünen rechnet man mit Ja- und Nein-Stimmen. Bei der SPD warnte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, seine Partei vor einer Zustimmung. Der "Mitteldeutschen Zeitung" sagte er, der Beginn des Abzugs Ende 2011 sei "viel zu vage formuliert". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte gestern erneut seine Zuversicht, dass Ende des Jahres die ersten deutschen Soldaten abgezogen werden.
Die Obergrenze von 5350 Soldaten soll auch im neuen Mandat erhalten bleiben. Einsatzgebiet sind weiterhin die Region Kabul sowie die Region Nord, kann aber zeitlich begrenzt auch auf andere Regionen Afghanistans ausgeweitet werden. Die Kosten werden für den Zeitraum März 2011 bis Januar 2012 mit rund einer Milliarde Euro angegeben.