Die Kritik an Guttenbergs Maßnahmen im Fall “Gorch Fock“ wächst. Doch von Kanzlerin Merkel erhält der CSU-Politiker “volle Unterstützung“.
Hamburg. Für den Verteidigungsminister läuft Phase 1. Aufklären. Es ist die erste im dreistufigen Verfahren, mit dem Karl-Theodor zu Guttenberg die Affären in der Bundeswehr klären will: aufklären, abstellen, Konsequenzen. Zur Phase 1 gehörte für den Minister auch die Absetzung des Kommandanten des Segelschulschiffs "Gorch Fock", Norbert Schatz.
Doch nach Ansicht der Opposition hat Phase 1 ihr Ziel verfehlt. Der CSU-Politiker sei seinen Prinzipien bei der Aufklärung der Vorfälle auf der "Gorch Fock" nicht treu geblieben. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte der ARD, Guttenberg habe erst von der Opposition im Bundestag Zurückhaltung gefordert, dann aber selbst den Kapitän ohne Aufklärung entlassen, nachdem eine "große Boulevardzeitung" dies gefordert habe. "Wir als Parlament empfinden das als Frechheit", sagte Steinmeier.
Im November war eine 25 Jahre alte Soldatin auf dem Schiff zu Tode gestürzt. Sie soll dazu genötigt worden sein, die Takelage des Segelschulschiffs hochzuklettern. Die "Bild"-Zeitung hatte detailliert über den Tod und die Auseinandersetzungen in der Besatzung berichtet. Das Ministerium wusste seit Freitagnachmittag - vor der Absetzung des Kapitäns - von dem Bericht. Guttenberg verteidigte sein Vorgehen als "sachgerecht und notwendig". Und die Koalition zeigte Solidarität. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Guttenberg habe ihre "volle Unterstützung". FDP-Generalsekretär Christian Lindner fügte hinzu, die Koalition habe Vertrauen in die Aufklärungsarbeit des Ministers.
+++ Norbert Schatz: Der Käpt'n verlässt als Erster das Schiff +++
Unter der Führung des Havariebeauftragten der Marine, Michael Brühn, soll die "Gorch Fock" in seinen Heimathafen Kiel zurückkehren. Er gehört einer Kommission an, die die Vorfälle an Bord untersuchen soll. Ehemalige Offiziersanwärter berichten laut "Bild"-Zeitung von sexuellen Ausschweifungen und anzüglichen Spielen an Bord. Seeleute sollen das Schiff zynisch "George Fuck" nennen. Dem Bundeswehrverband sind nach eigenen Angaben bisher keine Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs auf der "Gorch Fock" bekannt. "Auch den Begriff ,George Fuck' habe ich jetzt zum ersten Mal gehört", sagt Vorstandsmitglied Uwe Sonntag dem Abendblatt. Er befürworte nach den jüngsten Vorfällen die Einsetzung einer Gleichstellungsbeauftragten an Bord des Schiffs. "Vor allem wenn die Frauen an Bord das Gefühl haben, dass sie einen direkten Ansprechpartner brauchen, ist das für künftige Fahrten des Schiffs wichtig", sagte Sonntag. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gibt es zwei Gleichstellungsbeauftragte im Bereich der Marine. An Bord der "Gorch Fock" werden bei jeder Fahrt zudem Vertrauenspersonen gewählt.
Nach den Berichten über Missstände steht jetzt ein früherer Todesfall an Bord erneut im Fokus der Diskussion. Die Eltern der Kadettin Jenny Böken wollen die Wiederaufnahme der Ermittlungen erzwingen. "Wir erstatten Strafanzeige wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung mit Todesfolge", sagte die Mutter Marlis Böken. Es gebe in den Ermittlungsakten zum Tod der Tochter viele Ungereimtheiten. Die damals 18 Jahre alte Offiziersanwärterin war 2008 auf der "Gorch Fock" über Bord gegangen und ertrunken. Bei den Ermittlungen wurden keine Anzeichen für ein Fremdverschulden gefunden, teilte die Staatsanwaltschaft Kiel dem Abendblatt mit. Laut den Eltern wurde aber nie geklärt, wie die Frau bei ihrer Nachtwache über Bord gehen konnte.