Der SPD-Chef betont, dass das Engagement nicht enden darf. Aufbau und Ausbildung der Sicherheitskräfte müssen weitergehen.
Berlin. Wenige Tage vor der Bundestagsabstimmung zur Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan erhöht SPD-Chef Sigmar Gabriel den Druck auf die Koalition, die Pläne für den Einsatz am Hindukusch zu konkretisieren. In einem Schreiben an SPD-Mandatsträger und führende Parteifunktionäre fordert Gabriel einen Einsatz der Bundeswehr auch nach 2014 in Afghanistan. In dem Dokument mit dem Titel "Trendwende in Afghanistan?", das dem Hamburger Abendblatt vorliegt, schreibt Gabriel: "Ein Zeitplan ist notwendig - auch nach 2014."
Bei den Planungen für die Beendigung der Beteiligung ausländischer Truppen an Kampfhandlungen in Afghanistan müsse bereits jetzt deutlich werden, dass das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft - auch Deutschlands - nicht 2014 ende, machte Gabriel deutlich. "Wirtschaftlicher Aufbau, Entwicklungszusammenarbeit, aber auch die Fortsetzung von Ausbildung und Qualifizierung der afghanischen Sicherheitskräfte werden auch nach 2014 unsere Beteiligung erfordern." Der SPD-Chef forderte die Ende 2011 tagende Afghanistan-Konferenz auf, das Engagement für die Zeit nach 2014 zu beraten. "Das ist eine zentrale Aufgabe für die deutsche und europäische Außenpolitik!", so Gabriel.
Er verlangte zudem einen Zeitplan ab 2011 für die konkreten Schritte der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in den jeweiligen Städten, Distrikten und Provinzen. Auf der Grundlage der Erfahrungen der kommenden Monate müsse dieser Zeitplan spätestens Ende dieses Jahres vorliegen und schrittweise umgesetzt werden.
Der Parteivorsitzende erneuerte seine Empfehlung an die SPD-Bundestagfraktion, der Mandatsverlängerung im Bundestag am kommenden Freitag zuzustimmen. "Die Mandatszustimmung der SPD unterstützt den Strategiewechsel - nicht die Bundesregierung", so Gabriel. Eine Zustimmung zur Mandatsverlängerung wäre sachlich auch dann richtig, wenn die Bundesregierung sich nur halbherzig und innerlich zerstritten zu den Konsequenzen des Strategiewechsels bekenne, so der Parteichef weiter.
Trotz mehrerer Abweichler wird erwartet, dass die SPD der Mandatsverlängerung mehrheitlich zustimmen wird. Die Grünen werden sich voraussichtlich in großer Zahl enthalten. Die Linke will geschlossen mit Nein stimmen. Inzwischen haben auch drei Abgeordnete von Union und FDP angekündigt, dem neuen Mandat nicht zuzustimmen. Der FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin sowie die CDU-Abgeordneten Wolfgang Börnsen und Manfred Kolbe kündigten in der "tageszeitung" an, sie würden die Fortsetzung des Einsatzes im Bundestag ablehnen. "Ich werde mit Nein stimmen", sagte Koppelin. "Wir können unseren Soldaten nicht zumuten, dass sie ein korruptes Regime unterstützen." Der Einsatz sei unverantwortlich. Es könne nicht sein, "dass wir Soldaten mit schlechtem Material dort hinschicken". Der CDU-Politiker Börnsen sagte: "Für ein Land, das den Zweiten Weltkrieg zu verantworten hat, halte ich Krieg als Mittel der Politik nicht für verantwortbar." Eine Mehrheit für das Mandat wird es trotz der Vorbehalte in allen Fraktionen dennoch geben. 2010 stimmten 429 Abgeordnete mit Ja, 111 mit Nein, 46 enthielten sich.
Im neuen Mandat ist erstmals ein Datum für den angestrebten Abzugsbeginn festgeschrieben. Während Außenminister Guido Westerwelle (FDP) darauf drängt, an dem Termin festzuhalten, warnt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor voreiligen Festlegungen. Die Mandatsobergrenze von 5000 Soldaten plus einer Reserve von 350 Soldaten soll vorerst unverändert bleiben. Die internationalen Truppen am Hindukusch wollen 2014 die Sicherheitsverantwortung vollständig an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben.
Deutliche Skepsis an den deutschen Abzugsplänen hat unterdessen der Befehlshaber der internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan, US-General David Petraeus, formuliert. "Wir müssen übergroße Versprechungen vermeiden", sagte Petraeus der "Süddeutschen Zeitung". Zwar habe es in den vergangenen sechs Monaten "enorme Fortschritte" in Afghanistan gegeben, allerdings müssten alle Abzugspläne von den "Bedingungen vor Ort" abhängig gemacht werden. Petraeus sagte weiter, es sei ein "Privileg der Politik", über Abzugstermine zu diskutieren. Am Ende aber hänge "der politische Wille vom Fortschritt vor Ort" ab. Zugleich lobte der US-General die Leistung der Bundeswehr und der zivilen deutschen Helfer in Afghanistan. Besonders hob er hervor, dass deutsche Truppen an der Bekämpfung von Aufständischen beteiligt seien. Die Vertreibung der Taliban aus der Region Kundus sei vor allem eine Leistung der Bundeswehr. "Die Deutschen sollten sehr stolz sein."