Minister beruft Kommandanten der “Gorch Fock“ von Posten ab
Hamburg. Erinnerungen werden wach. An den Herbst 2009. Bei Kundus entführen Aufständische zwei Tanklastzüge. Oberst Georg Klein, Kommandeur des Standorts in Kundus, fordert amerikanische Unterstützung an und befiehlt, die Tanklastzüge zu bombardieren. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan nennt den Luftangriff später "militärisch angemessen", nachdem er den Untersuchungsbericht der Nato erhalten hat. Als der damals neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) jedoch erfährt, dass im Ministerium schon kurz nach dem Angriff Hinweise auf zivile Opfer vorlagen, entlässt er Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert.
Schnell zog Guttenberg Konsequenzen aus den Informationspannen. Nicht noch einmal sollte so etwas vorkommen. Doch jetzt holen ihn die Probleme von damals wieder ein. Erneut muss er sich gegen den Vorwurf der unzureichenden Information der Öffentlichkeit wehren. Und erneut zieht er einen der Verantwortlichen ab: den Kommandanten des Segelschulschiffs "Gorch Fock", Kapitän Norbert Schatz.
"Erst sagt Guttenberg in aller Öffentlichkeit, dass die Vorverurteilungen von Soldaten infam seien. Und dann entlässt er wenige Stunden später den Kommandanten der 'Gorch Fock'", sagte der Sicherheitsexperte der Grünen, Omid Nouripour, dem Hamburger Abendblatt. Er halte sich nicht an seine Worte, wenn die Luft dünn werde, sagte Nouripour weiter. "Das ist ein Armutszeugnis für Guttenberg, der sich immer als großer Aufklärer inszeniert." Auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf dem Minister im NDR vor, die Beteiligten hätten sich nicht ausreichend zu den Vorfällen äußern können. Doch Guttenberg sieht bereits weitere Schritte vor: Alle Teilstreitkräfte sollen nun von Generalinspekteur Volker Wieker auf Vorkommnisse hin untersucht werden, kündigte der CSU-Politiker an. Hintergrund sind drei fast zeitgleich bekannt gewordene Vorfälle: Meuterei-Vorwürfe auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", das Öffnen von Feldpostbriefen aus Afghanistan und neue Hinweise zum Tod eines deutschen Soldaten in dem Land.
Die Mutter der verunglückten Soldatin auf der "Gorch Fock" erstattete laut "Spiegel" Anzeige wegen fahrlässiger Tötung gegen die Bundesrepublik. "Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb", sagte sie dem "Focus". Sie vermute, dass die Gründe für den Tod ihrer Tochter "vertuscht" worden seien. Eine Offiziersanwärterin berichtete von unhaltbaren Zuständen auf der Bark: "Da wurde gebrüllt, da wurde gedrillt. Das war systematisches Schleifen wie in einem schlechten Film." Selbst das Hinaufklettern auf die Masten sei erzwungen worden: "Wenn Aufentern befohlen ist, dann musst du in die Takelage. Alles andere ist Gehorsamsverweigerung."
Bei den Vorfällen von geöffneter Feldpost liegt ein erstes Ergebnis der Untersuchung vor. Danach sind "vermutlich" etwa ein Dutzend Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan "unrechtmäßig geöffnet" worden, sagte ein Ministeriumssprecher. Andere wiederum hätte der Zoll bei zulässigen Kontrollen geöffnet und entsprechend gekennzeichnet.