Der Tod eines Bundeswehrsolaten in Afghanistan und das Rätsel um geöffnete Feldpost bringen Minister Guttenberg in Erklärungsnot
Berlin/Hamburg. Als Kanzlerin Angela Merkel kurz vor Weihnachten in der Kantine im Feldlager Kundus zu den Bundeswehrsoldaten sprach, gedachte sie zunächst des jungen Mannes, der am Vorabend in einem Außenposten bei Pol-i-Khomri, etwa 60 Kilometer südlich, ums Leben gekommen war. Nicht im Gefecht, sondern beim Reinigen seiner Waffe soll sich ein Schuss gelöst haben. So jedenfalls war damals die Erklärung für den Tod des Soldaten. Doch war das nur ein Versuch, die wirkliche Todesursache zu vertuschen?
Eigentlich wollte sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg um die Bundeswehrreform und Afghanistan-Strategie kümmern. Doch jetzt sind es diverse unerfreuliche Vorfälle bei der Bundeswehr, die den Minister unter Druck setzen: nicht nur die Vertuschungsvorwürfe nach dem Tod des Soldaten, sondern auch eine angebliche Meuterei nach dem tödlichen Unfall einer Offiziersanwärterin auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" und schließlich das Rätsel um geöffnete Feldpost-Briefe.
Im Fall des Soldaten, der vor Weihnachten erschossen in Nordafghanistan aufgefunden wurde, kommt der wahre Unfallhergang erst jetzt - auch durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft - ans Licht. "Aus der Waffe eines anderen Soldaten soll sich ein Schuss gelöst haben", sagte der ermittelnde Oberstaatsanwalt aus Gera, Thomas Villwock. Inzwischen gibt es Berichte, ein Soldat habe bei Spielereien mit seiner Pistole auf den Hauptgefreiten gezielt und abgedrückt. Der Schuss habe sich gelöst, als sich Soldaten ihre Waffen "vor die Nasen" gehalten hätten, berichtete die "Bild"-Zeitung" unter Berufung auf den Ermittlungsbericht der Feldjäger zu dem Vorfall. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam bestätigte diese Darstellung nicht. Das Verteidigungsministerium hat Mitte Januar den hauseigenen Untersuchungsbericht der Staatsanwaltschaft Gera übermittelt. "Es war bereits am zweiten Tag bekannt, dass der Schuss sich mutmaßlich aus der Waffe eines zweiten Soldaten gelöst hatte", sagte Verteidigungsminister zu Guttenberg gestern. "Das haben wir dann auch öffentlich bekannt gemacht."
Ein weiteres wichtiges Detail bestätigte ein Sprecher des Ministeriums dem Abendblatt: Die Fälle von geöffneter Feldpost kam in derselben Region vor, in der auch der Soldat im Dezember ums Leben kam. Es müsse jetzt unbedingt geklärt werden, ob es da einen Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen gebe, sagte Susanne Kastner (SPD) dem Abendblatt. Sie ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Und sie übt scharfe Kritik an der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. "Das Ministerium hat den Verteidigungsausschuss nicht nur falsch informiert, sondern verschleppt und verschweigt immer wieder Informationen", sagte Kastner. Seit den Vorfällen in Afghanistan und dem Tod auf der "Gorch Fock" hätte schon viel Aufklärungsarbeit geleistet werden können, ergänzte sie.
Auch die Grünen fordern vom Verteidigungsminister "unverzügliche Aufklärung". Er müsse transparent darlegen, wie all das passieren konnte, und glaubwürdig die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen, sagte die Parteivorsitzende Claudia Roth dem Abendblatt. "Es ist doch bemerkenswert, dass der Wehrbeauftragte offenbar mehr Informationen über den Zustand der Bundeswehr hat als der Verteidigungsminister selbst", hob sie hervor. Es bleibt vorerst unklar, warum Briefe von Soldaten aus dem afghanischen Feldlager Masar-i-Scharif sichtbar geöffnet wurden und teils unvollständig in Deutschland eintrafen. Auch ein möglicher Zusammenhang zum Tod des Soldaten lässt sich nicht feststellen.
Zu Guttenberg hatte am Mittwoch nach einem Hinweis des Wehrbeauftragten Königshaus (FDP) Ermittlungen eingeleitet. Königshaus hatte die Hinweise während einer Afghanistan-Reise erhalten. Zahlreiche Soldaten des Ausbildungs- und Schutzbataillons berichteten über geöffnete Post.