Guttenberg muss die Aufklärung bei der Bundeswehr forcieren.
Mehr als 7000 Soldaten der Bundeswehr sind derzeit auf Auslandseinsätzen - auf dem Balkan, in Afghanistan, am Horn von Afrika und in anderen Weltgegenden. Unter schwierigen Umständen riskieren sie täglich ihr Leben - und manche von ihnen verlieren es leider; insgesamt 90 deutsche Soldaten sind im Zuge dieser Einsätze bislang ums Leben gekommen. Das Letzte, was die Truppe gebrauchen kann, ist eine Negativdebatte über mögliche Defizite bei Ausbildung, Menschenführung und Information der Öffentlichkeit. Und doch ist diese Debatte unausweichlich. Noch sind zwar alle Fakten nicht hinreichend geklärt, und man sollte sich vor vorschnellen Urteilen hüten. Doch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Tod einer 25-jährigen Offiziersanwärterin auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", dem gewaltsamen Tod eines 21-Jährigen in Afghanistan und dem Öffnen von privater Post der Soldaten im Einsatz drohen sich von bloßen Einzelfällen zu einem bedenklichen Bild zu verdichten.
Nehmen wir das Murren auf der "Gorch Fock". Dieses Schulschiff dient dazu, Offiziersanwärter für einen Beruf zu trainieren, in dem unter Umständen gekämpft, getötet und gestorben wird. In der Truppe gelten daher mit Recht härtere Ausbildungsregeln als in Zivilberufen; selbst nach dem Tod eines Kameraden muss der Dienst weiterlaufen. Eine andere Frage ist jedoch, ob Kadetten vorschriftswidrig in die Takelage genötigt wurden, nachdem gerade eine Kameradin zu Tode gestürzt war. Und ob es zwei Tage nach dem Unglück eine rauschende Karnevalsfeier an Bord gab. Hier wären nicht nur die Prinzipien der inneren Führung massiv verletzt, es hätte auch an der unabdingbaren Sensibilität bei der Führung von Menschen gefehlt. Ein klarer Fall von innerer Irreführung.
Das an Stasi-Methoden erinnernde Öffnen der Feldpost mag ein kriminelles Einzelversagen gewesen sein. Dass aber die Öffentlichkeit die dramatischen Vorgänge auf der "Gorch Fock" erst jetzt erfährt und auch jetzt erst Kenntnis davon erhält, dass der 21-jährige Soldat in Afghanistan keineswegs durch eigene Hand starb, wie zunächst berichtet wurde, ist skandalös. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und damit auch dem Volk gegenüber verantwortlich. Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg sollte die Aufklärung dieser fatalen Vorgänge zur Chefsache machen.