Die FDP pocht auf Entlastungen für die Steuerzahler, doch Kanzlerin Merkel will zuerst den Schuldenabbau vorantreiben.
Berlin/Stuttgart. Trotz der Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an rasche Steuersenkungen sind in der Koalition neue Forderungen nach spürbaren Entlastungen für die Bürger laut geworden. Die FDP erinnerte an den Koalitionsvertrag, der Erleichterungen bei der Einkommensteuer vorsehe. Merkel hingegen betonte, wenn es finanzielle Spielräume gebe, seien Hilfen für die Kommunen dringlicher. Dem "Spiegel" sagte Merkel, sie sehe "derzeit weiterhin keine Spielräume für Steuersenkungen". Zunächst müssten die "gewaltigen Schulden" abgebaut werden.
Angeheizt wurde die Diskussion um Steuersenkungen durch Nachrichten aus dem Bundesfinanzministerium, wonach der Bund auch 2011 weniger neue Schulden aufnehmen muss als befürchtet. 2010 sollen es etwa 50 Milliarden Euro sein, im kommenden Jahr soll der Wert darunterliegen, wie Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) mitteilte. Das seien aber immer noch Schuldenrekorde, hob Kampeter hervor. Für 2011 sind derzeit noch 57,5 Milliarden Euro an neuen Krediten im Haushalt eingeplant.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) forderte die Bundesregierung auf, an ihrem Sparkurs festzuhalten. "Es gibt keine Entwarnung, was den Spardruck angeht", sagte Mappus abendblatt.de, der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts. Es müsse so lange gespart werden, bis die staatlichen Haushalte ausgeglichen seien. Die Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz seien zu erfüllen, betonte er mit Blick auf die günstige wirtschaftliche Entwicklung.
Mappus erteilte raschen Steuersenkungen eine klare Absage. "Die steuerliche Besserstellung von unteren und mittleren Steuergruppen ist uns ein Anliegen. Für dieses und nächstes Jahr sehe ich dafür aber keinen Spielraum", sagte er. "Wenn wir Glück haben, können wir uns 2012 mit der sogenannten kalten Progression befassen."
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger forderte indes ein deutlicheres Bekenntnis zu Steuersenkungen. Dem "Tagesspiegel am Sonntag" sagte sie, ihre Partei wolle "noch in dieser Legislaturperiode durch einen strikten Sparkurs Spielräume erarbeiten, um Entlastungen für untere und mittlere Einkommensgruppen möglich zu machen". FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms betonte, es gelte der Koalitionsvertrag, wenn sich aufgrund der positiven Wirtschaftslage finanzielle Spielräume ergäben: "Darin sind weitere Entlastungen der kleinen und mittleren Einkommensbezieher bei der Einkommensteuer vereinbart."
Der Unions-Finanzexperte Leo Dautzenberg (CDU) forderte in der "Welt", die Koalition müsse "in dieser Wahlperiode dieses Thema entschlossen anpacken und zumindest einen Einstieg in eine spürbare Entlastung der unteren und mittleren Einkommen schaffen". Unions-Fraktionschef Volker Kauder kündigte jedoch an, dass die Union erst am Ende der Legislaturperiode prüfen werde, "ob es Spielräume für eine Steuersenkung gibt". Dies sei keine Frage für 2011, so Kauder in der "Passauer Neuen Presse".
Für ein entschlossenes Vorgehen sprach sich der Landesgruppenvorsitzende der CSU im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, aus. "Sobald wir unsere Spielräume seriös abschätzen können, werden wir umgehend die Steuern senken", sagte Friedrich dem Abendblatt mit Blick auf 2011: "Wir können erst bei der Steuerschätzung im kommenden Frühjahr feststellen, wie nachhaltig der Aufschwung wirklich ist."
Zur Stunde hätten die Einhaltung der Schuldenbremse und die Rückführung der Staatsverschuldung Priorität, betonte der CSU-Politiker und versicherte zugleich: "Union und FDP haben nach wie vor das Ziel, die Steuern zu senken. Das haben wir immer gesagt, und dabei bleibt es auch. Diejenigen, die den Karren ziehen und arbeiten, bringen uns den wirtschaftlichen Aufschwung." Aber Steuerentlastungen, Schuldenabbau und Investitionen seien für die Regierungskoalition gleichrangige Ziele.
Unterdessen kündigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an, dass Steuererklärungen bald nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden müssen. Schäuble sagte im Interview des Deutschlandfunks: "Ich glaube, dass wir eine gute Chance haben, das schon zum 1. Januar 2012 in Kraft zu setzen." Er werde in der kommenden Woche mit den Finanzministern der Länder beraten, um die Summe der möglichen Ausfälle bei den Steuereinnahmen zu beziffern.