Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung, erklärt, warum die Renten wieder steigen - obwohl sie eigentlich sinken müssten.
Hamburg/Berlin. Nach einer Nullrunde 2010 werden die Renten im kommenden Jahr wieder steigen. "Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, bei der Lohnentwicklung, aber auch in der Anzahl der Beschäftigten wird dazu führen, dass wir im kommenden Jahr aller Voraussicht nach von einer Rentenanpassung reden können - wie hoch, das müssen wir abwarten", sagte der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, dem Abendblatt. Die Rentenversicherung habe jetzt wieder gute Einnahmen, weil es vielerorts einen Übergang von Kurzarbeit zurück zur Vollarbeit gebe.
Herbert Rische im Abendblatt-Interview: "Von Rente kann man nicht in Saus und Braus leben"
Eigentlich hätten die Renten in diesem Jahr sogar sinken müssen, weil die Summe aller Löhne, nach denen sich die Höhe der Renten richtet, wegen der Wirtschaftskrise in den Keller gefallen war. Nur die Rentengarantie, die noch von der Großen Koalition aus CDU und SPD beschlossen worden ist, verhinderte, dass die knapp 20 Millionen Ruheständler in diesem Jahr mit geringeren Bezügen auskommen müssen.
Herbert Rische verteidigte die Rentengarantie. "Nach reiner Lehre ist das ein Verstoß gegen die Prinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung", sagte er dem Abendblatt. Aber der Bund habe schließlich Garantien in dreistelliger Milliardenhöhe für Banken und Versicherungen sowie für private Spareinlagen übernommen. "Und dann soll man den Rentnern sagen, für sie und ihre Ersparnisse gibt es keine Sicherheit? Das wäre unrealistisch gewesen. Und die Rentner zahlen ja in Zukunft selbst, was sie garantiert bekommen haben. Nämlich mit geringeren Rentensteigerungen, als ihnen eigentlich zustünden."
Zuletzt waren die Renten 2009 um 2,41 Prozent im Westen und 3,38 Prozent im Osten angehoben worden, nachdem es zwischen 2004 und 2006 drei Nullrunden für die Rentner gegeben hatte. Die Angleichung der Altersbezüge in Ost und West allerdings wird auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit nicht entscheidend vorankommen. Anders als im schwarz-gelben Koalitionsvertrag beschlossen, sieht Rentenpräsident Rische in dieser Legislaturperiode kaum Chancen für eine vollständige Angleichung.
In diesem Herbst will die Bundesregierung die von vielen ungeliebte Rente mit 67 überprüfen. Auch wenn die Ergebnisse noch nicht vorliegen, verteidigte Rische die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. "Man sollte die Rente mit 67 realistisch betrachten und nicht unter ideologischen Aspekten. Der Übergang zur Rente mit 67 dauert bis zum Jahr 2029. Es ist ja nicht so, dass jeder morgen bis 67 arbeiten muss." Die Situation der Beschäftigten über 55 Jahre habe sich spürbar verbessert. Auch in den Unternehmen, die zum Teil unter Fachkräftemangel litten, werde umgedacht. Rische sagte: "Die Unternehmen werden sich in den nächsten Jahren verstärkt um ältere Arbeitnehmer kümmern und ihre Potenziale stärker ausschöpfen müssen. Und der Übergang in den Ruhestand wird ganz anders sein als heute. Man geht dann nicht mehr schlagartig mit 65 oder 67 in Rente, sondern mit gleitenden Übergängen und Teilrenten."
Zugleich warnte Rische die Bundesregierung davor, bei den Bundeszuschüssen für die Rentenversicherung zu kürzen. "Wenn das Sparpaket beschlossen wird wie geplant, bekommen wir die Rentenbeiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht mehr. Das bedeutet rund 1,8 Milliarden Euro weniger pro Jahr. Wir erhalten außerdem rund 300 Millionen an einigungsbedingten Leistungen nicht mehr." Wer bei den Bundeszuschüssen spare, müsse Leistungen der Rentenversicherung streichen. "Da sehe ich keinen Spielraum", sagte Rische.