Auf dem Festakt in Berlin hob Bundestagspräsident Norbert Lammert die Rolle des Altkanzlers für die Wiedervereinigung hervor
Berlin. Altbundeskanzler Helmut Kohl ist gestern Abend bei der Einheitsfeier in Berlin von Tausenden Bürgern mit langem Beifall gefeiert worden. Als der "Kanzler der Einheit" in einem Rollstuhl auf die Bühne vor dem Reichstag geschoben wurde, winkten ihm die Menschen zu. Die Ehrengäste spendeten ihm stehend Beifall.
Auf Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) fand vor dem Reichstag eine Feier zur Erinnerung an den Vollzug der Einheit am selben Ort vor 20 Jahren statt. Während die Nationalhymne angestimmt wurde, tauchte der Reichstag in schwarz-rot-goldenes Licht. Wie 1990 gab es zum Finale ein großes Feuerwerk zu den Klängen der Europahymne. Lammert betonte, mit niemandem verbinde sich die deutsche Einheit so stark wie mit Helmut Kohl. Heute sei eine gute Gelegenheit, ihm für diese historische Leistung zu danken. Zu der Feier kamen auch Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der einzige frei gewählte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière. Der Vollzug der Einheit war 1990 in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober vor dem Reichstag mit der Staatsspitze gefeiert worden. Bis zu eine Million Menschen feierten damals auf den Straßen der Hauptstadt.
Zu den Feierlichkeiten kamen gestern immerhin noch einige Tausende Menschen zum Brandenburger Tor und vor den Reichstag, um die deutsche Einheit vor 20 Jahren zu feiern. Auf der Reichstagswiese verfolgten Bürger auf Großbildleinwänden die historischen Ereignisse der Jahre 1989 und 1990. Etwa als ein DDR-Volkspolizist am 4. November 1989 angesichts der zunehmenden Demonstrationen auf die Frage, ob es eine Wende gebe, freimütig und mit einem Achselzucken sagte: "Wir sind mittendrin." Immer wieder schallte am Sonntagabend noch einmal aus den Lautsprechern der Ruf "Die Mauer muss weg" über die Reichstagswiese.
In seiner Rede rief Lammert die Deutschen in Ost und West 20 Jahre nach der Wiedervereinigung zum Zusammenhalt auf. Auch bei selbstkritischer Betrachtung hätten alle miteinander Anlass zu "stillem Stolz und lauter Dankbarkeit, der Westen gegenüber dem Osten nicht weniger als umgekehrt", sagte Lammert vor dem Reichstag. Die Wiedervereinigung sei weder ein Wunder noch ein Naturereignis gewesen. Sie sei Folge einer friedlichen Revolution gewesen, die ihre selbst gesetzten Ziele nicht nur erreicht, sondern überboten habe.
Lammert erinnerte daran, dass 20 Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit die erste Generation erwachsen geworden sei, die nie etwas anderes erlebt habe. "Sie erlebt ein Deutschland, das vor 20 Jahren neu entstanden ist und dessen Zukunft ihre Aufgabe ist", so der CDU-Politiker.
Bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche hat der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow die Leistungen des deutschen und russischen Volkes in den Mittelpunkt gestellt. "Ich will die Rolle der Politiker gar nicht abwerten, sie war sehr groß. Doch die wichtigste Rolle hat hier das Volk gespielt", sagte er.