Merkel verteidigt 5-Euro-Erhöhung. Opposition und Sozialverbände sprechen von Tricks
Hamburg/Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Kompromiss der Koalition zur Neuregelung von Hartz IV verteidigt. Wer wie die SPD das Konzept kritisiere, müsse sagen, an welcher Stelle er die neu berechneten Sätze für falsch halte und wo er noch etwas drauflegen wolle, sagte die CDU-Vorsitzende nach einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU. Die Union sei bereit, auf die Sozialdemokraten zuzugehen. Nichtsdestotrotz halte sie die gefundene Lösung für sachgerecht.
Die Koalition hatte sich darauf verständigt, den Regelsatz für Erwachsene um fünf auf 364 Euro zu erhöhen. Für Kinder aus benachteiligten Familien wird der Regelsatz nicht erhöht; es soll aber Sachleistungen im Rahmen eines 620 Millionen Euro starken Bildungspakets geben, um Kindern eine Teilhabe an Angeboten in Bildung, Sport und Kultur zu ermöglichen. Nach Angaben von Merkel macht dies rund 20 Euro pro Kind im Monat aus. Das sei die eigentliche Botschaft für die Familien.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rief die Opposition auf, die Neuberechnung des Hartz-IV-Satzes im Bundesrat nicht zu blockieren. "Gerade bei dem Bildungspaket ist auch einfach meine Bitte an die anderen Parteien, diese Chance wahrzunehmen", sagte sie. Gleichzeitig wies von der Leyen die Vorwürfe zurück, die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze sei kleingerechnet worden: "Die Rechnungen sind unbestechlich."
Doch die Kritik an dem Gesetzentwurf reißt nicht ab. Die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um fünf Euro wird von Sozialverbänden, den Kirchen und der Opposition als Politik der sozialen Kälte verurteilt. Die Opposition kündigte an, die Pläne notfalls im Bundesrat zu blockieren. "Wir bleiben dabei, dass es sich hier um das Ergebnis von Tricksereien handelt", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband übte scharfe Kritik. Der Gesetzentwurf zeige, dass das Arbeitsministerium für die Berechnung der Regelsätze für Erwachsene nur die untersten 15 Prozent der Einkommensbezieher statt wie bisher die untersten 20 Prozent herangezogen habe, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem Abendblatt. Das sei willkürliche Trickserei, mit der die Hartz-IV-Regelsätze gedrückt würden. Die Arbeiterwohlfahrt warf der Regierung "Politik nach Kassenlage" vor und forderte einen Regelsatz von mindestens 400 Euro, um den grundlegenden Bedarf von Erwachsenen angemessen abzudecken. Aus Sicht der Familien-Expertin der Grünen, Katja Dörner, sei entscheidend, wie der neue Regelsatz mit dem Bildungspaket zusammenwirke. "Doch gerade das wird in dem Gesetzentwurf überhaupt nicht klar verankert", sagte sie dem Abendblatt.
Fachpolitiker von Union und FDP verteidigten im Abendblatt den Gesetzentwurf der Arbeitsministerin. Gerade das Bildungspaket sei ein "großer Durchbruch", sagte die Familien-Expertin von CDU und CSU, Dorothee Bär. "Weil wir nicht wollen, dass Armut vererbt wird, zeigen wir klare Perspektiven auf und ermöglichen mit zusätzlichen Bildungsangeboten für Kinder gute Chancen für die Zukunft." Pascal Kober, Sozialexperte der FDP, sagte, mit der Kritik wolle die Opposition von ihrem eigenen Unvermögen ablenken: Die Politiker von Rot-Grün seien es gewesen, "die dem Bildungsbedarf von Kindern keinerlei Bedeutung zugemessen haben. Damit sind sie vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert."