Die Liberalen sind unzufrieden, weil die Entlastung des Mittelstands ausfällt. Die Opposition bemängelt Schieflage des Etats 2011.
Berlin. Trotz der guten Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft will die Regierung in ihrem Spardrang nicht nachlassen. "Wir sind entschlossen, Kurs zu halten", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Auftakt der viertägigen Bundestagsdebatte über den Haushalt 2011. Die Oppositionsparteien kritisierten wegen der Kürzungen im Sozialetat allerdings eine "soziale Schieflage" im schwarz-gelben Haushalt. Die Kürzungen träfen vor allem die "Schwächsten der Gesellschaft", während die Verursacher der Finanzkrise wie "maßlose Investmentfonds" nicht zur Kasse gebeten würden, sagte Haushaltsexperte Carsten Schneider. "Dieser Haushalt ist nichts weiter als ein Handbuch für die soziale Spaltung." Daher werde die SPD ihm auch nicht zustimmen. Auch der Sozial- und Wohlfahrtsverband Volkssolidarität erklärte, die Sparmaßnahmen verschärften die soziale Spaltung.
Kritik kommt allerdings auch aus den Reihen der FDP: "Aus unserer Sicht hat dieser Haushalt eine soziale Schieflage, aber aus einem ganz anderen Blickwinkel", sagte Sachsens FDP-Vorsitzender Holger Zastrow dem Hamburger Abendblatt. "Denn auf die einst versprochene und weiterhin notwendige Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen wird leider verzichtet. Ich erkenne die sparpolitischen Zwänge an, aber der Einstieg in eine solche Strukturreform sollte noch in dieser Legislatur gelingen", forderte Zastrow. Den Vorwurf der "sozialen Spaltung" wegen der Sozialkürzungen wies der Liberale zurück: "Das ist nichts als die erwartbare Klassenkampfrhetorik. Es ist doch völlig logisch, dass man sich in schlechten Zeiten nicht mehr das leisten kann, was in guten Zeiten möglich war. Darüber gibt es in Deutschland aber bedauerlicherweise keinen gesellschaftlichen Konsens. Stattdessen wird laut aufgeschrien. Das ist unverantwortlich." Zastrows Forderung: "Man darf Politik nicht immer nur von den Rändern aus machen. Man muss in die Mitte der Gesellschaft gucken und fragen: Wer erwirtschaftet all das, was verteilt wird? Das sind die, die heute unter einer zu hohen Abgabenlast leiden."
Im Zentrum des Sparpakets stehen Kürzungen bei den Arbeitslosen. Diese verlieren neben dem Elterngeld auch den im vergangenen Jahr eingeführten Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger. Das macht für Singles 24 Euro im Monat, für Familien mit zwei Kindern 43 Euro monatlich aus. Ganz weg fällt der befristete Zuschlag für Erwerbslose, die vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II rutschen - dies sind bisher bei Alleinstehenden bis zu 160 Euro, bei Paaren bis zu 320 Euro und für jedes Kind bis zu 60 Euro monatlich im ersten Jahr des Übergangs in Hartz IV. Betroffen sind auch Bezieher von Hartz IV, die ihren Anspruch auf das Mindestelterngeld von 300 Euro im Monat verlieren.
Allerdings beteuert Schäuble, trotz des Widerstands in der EU an seinen Plänen für eine Finanztransaktionssteuer festzuhalten. Er werde alles daransetzen, dass die Steuer komme, sagte er im Bundestag. Tatsächlich ist die geplante Beteiligung der Banken an den Kosten der Finanzkrise eigentlich ein Grundpfeiler des Sparpakets. Bislang stehen im EU-Finanzministerrat aber Deutschland, Frankreich, Österreich und Griechenland mit dem Vorschlag alleine da. Schäuble sagte aber, die Debatte verlaufe offener, als das dargestellt werde. Auf dem sozialpolitischen Flügel der CDU/CSU wird Wert darauf gelegt, dass diese Maßnahme kommt, um so dem Vorwurf der einseitigen Belastung der sozial Schwachen etwas entgegensetzen zu können.
Wie Schäuble erläuterte, fällt die Neuverschuldung im laufenden Haushaltsjahr geringer aus als gedacht: "Wir sind jetzt im tatsächlichen Verlauf des Jahres 2010 nicht mehr bei 86 Milliarden Euro, sondern irgendwo unterhalb von 60 Milliarden Euro." Für das kommende Jahr ist in der Etatvorlage eine Neuverschuldung von 57,5 Milliarden Euro vorgesehen. Der Bundesfinanzminister sagte, die Investitionen seien nicht verringert, für den Bereich Bildung und Forschung sogar erhöht worden. Für die Ausgaben des Bundes sind 2011 insgesamt 307,4 Milliarden Euro veranschlagt. Wirtschaftlich sei man auf einem "guten Weg". Deutschland gelte als "die Wachstumslokomotive in Europa".