Studie stellt “bemerkenswerten Anstieg“ fest. Ministerin will neue Arbeitszeitmodelle
Berlin. Der Wunsch nach Kindern ist in Deutschland erstmals wieder deutlich gewachsen. 52 Prozent der befragten Kinderlosen unter 50 Jahren sagten in einer Allensbach-Umfrage, sie wollten "bestimmt" Kinder. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren waren es nur 43 Prozent. Die repräsentative Studie unter dem Titel "Monitor Familienleben 2010" wurde für das Bundesfamilienministerium erstellt.
Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher sprach von einem "bemerkenswerten" Anstieg: "Im Moment wächst der Mut zum Kind." Es sei ein "Wertewandel" festzustellen, bei dem nicht mehr wie früher ein extremes Sicherheitsdenken im Vordergrund stehe. Mittlerweile seien nur noch 42 Prozent der Deutschen der Auffassung, dass beide Partner ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben müssten, bevor die Entscheidung für ein Kind fallen könne. 2007 hatten dies noch 52 Prozent gefordert. Köcher sagte, wenn weniger Bedingungen gestellt würden, vergrößere sich das oft selbst gesetzte enge Zeitfenster zu Realisierung des Kinderwunsches - gerade bei Akademikerpaaren, die lange auf ihren Nachwuchs warten müssten, wenn sie tatsächlich zuvor beide ihre Universitätsausbildung abschließen wollen.
Der Studie zufolge ist in Deutschland auch der Anteil jener Eltern unter 50 gestiegen, die "bestimmt weitere Kinder" wollen - und zwar von neun auf zwölf Prozent. Der Anteil jener, die explizit keine Kinder wollten, liegt hingegen weiterhin bei 20 Prozent.
In den vergangenen Jahren ist die Geburtenrate in Deutschland beständig gefallen. 2009 kamen auf 1000 Einwohner statistisch 7,9 Geburten. Ein Jahr zuvor waren es noch 8,3. Unter den EU-Staaten (Durchschnitt: 10,7 Geburten auf 1000 Einwohner) ist Deutschland seit Langem Schlusslicht.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) appellierte an junge Paare, Risiken in Kauf zu nehmen, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Der Staat seinerseits müsse dafür sorgen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steige. "Wie zufrieden die Familien sind, hängt ganz besonders davon ab, ob Eltern genügend Zeit mit ihren Kindern und Angehörigen verbringen können", sagte Schröder. "Zeit ist die Leitwährung moderner Familienpolitik."
Tatsächlich hatten 69 Prozent der Befragten gefordert, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Kernaufgabe der Familienpolitik sein müsse. Neben besserer Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen mit langen Betreuungszeiten fordern Mütter und Väter vor allem flexiblere Arbeitszeiten und mehr Teilzeitangebote. 60 Prozent der berufstätigen Väter und 41 Prozent der Mütter wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Dabei will die Mehrheit keine Halbtagsstelle, sondern eine Wochenarbeitszeit von 30 bis 36 Stunden. Schröder will deshalb im Herbst bei Unternehmen dafür werben, flexiblere Arbeitszeitmodelle einzuführen. Sie kritisierte die "familienfeindliche Präsenzkultur" in vielen Unternehmen. Gemeinsam mit dem Industrie- und Handelskammertag sei eine Initiative geplant, dies zu ändern.
Scharfe Kritik kam von den Grünen. Die familienpolitische Sprecherin der Fraktion, Katja Dörner, sagte dem Abendblatt: "Ganztagsbetreuung für ihre Kinder und eine stärkere finanzielle Förderung sind die zentralen Wünsche der Eltern - darauf bleibt Ministerin Schröder jede Antwort schuldig."