Birgit Homburger, Fraktionschefin der Liberalen, fürchtet keine Schwächung der sozialen Dienste, wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird.
Berlin. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger hat Befürchtungen zurückgewiesen, ein Ende der Wehrpflicht gefährde die sozialen Dienste. "Es gibt genügend Vorschläge, wie die sozialen Dienste trotz Aussetzung der Wehrpflicht ohne Nachteile erhalten bleiben", sagte Homburger dem Hamburger Abendblatt. "Die FDP will die Freiwilligendienste stärken, denn es gibt viele junge Menschen, die ein freiwilliges soziales Jahr leisten wollen - deutlich mehr, als es Plätze gibt."
Homburger erinnerte daran, dass Zivildienstleistende "laut Gesetz immer arbeitsmarktneutral eingesetzt werden" müssten. "Ich rate daher dazu, im Zuge der Reform genau hinzuschauen, ob diese Vorschrift auch immer eingehalten wird."
Die FDP-Fraktionschefin hatte in den Koalitionsverhandlungen mit der Union eine Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate durchgesetzt. Sie gilt als Anhängerin einer Berufsarmee. Homburger unterstützt mit ihrer Wortmeldung auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) , die für einen freiwilligen Zivildienst eintritt. Das Deutsche Rote Kreuz begrüßte gestern ebenfalls Schröders Initiative, mit der die Zivildienststellen ersetzt werden sollen, die bei der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geplanten Aussetzung der Wehrpflicht wegfallen würden. Konkret zielt Schröder auf einen staatlich organisierten freiwilligen Zivildienst, der in der Regel ein Jahr, mindestens aber sechs Monate dauern soll. Er soll allen Bürgern von 16 Jahren an offenstehen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte dagegen, einen verpflichtenden Sozialdienst für junge Frauen und Männer einzuführen. Es sei fraglich, ob Schröders Pläne für einen Freiwilligendienst die entstehende Lücke etwa bei der Betreuung von Alten und Kranken schließen könne, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem "Handelsblatt". Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, sagte dem Abendblatt: "Ich fordere ein verpflichtenden soziales Jahr, das junge Menschen nach der Schule absolvieren." Die Aussetzung des Zivildienstes bedeute andernfalls eine "Katastrophe" für die Versorgungssysteme.
Für einen verpflichtenden Sozialdienst sieht Ministerin Schröder aber keine Chance. Er wäre ein "riesiger Eingriff in die Freiheit eines jungen Menschen", für den es keinen gewichtigen Grund gebe, sagte die CDU-Politikerin im Südwestrundfunk. Dies lasse "höchstwahrscheinlich" das Bundesverfassungsrecht nicht zu und auch nicht die "Gesetzgebung auf europäischer Ebene".
Verteidigungsminister Guttenberg machte deutlich, dass er seine Reformpläne für die Bundeswehr auch gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen durchkämpfen möchte. Er wolle sich nicht "drei Jahre in einem Amt verstecken", sondern notwendige Reformen durchsetzen, sagte er bei einem Truppenbesuch im bayerischen Grafenwöhr.
Nach Guttenbergs Plänen soll die Truppe in den nächsten Jahren von 245 000 auf bis zu 163 500 Soldaten schrumpfen - mit etwas Spielraum nach oben. Bis zu 180 000 Soldaten sind nach seiner Auffassung unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung möglich. Die Wehrpflicht soll im Grundgesetz verankert bleiben, aber zum 1. Juli 2011 ausgesetzt werden. Der freiwillige Wehrdienst soll zwölf bis 23 Monate dauern und auch Frauen offenstehen. Während CSU-Chef Horst Seehofer sich skeptisch zeigte, sagte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel dem Verteidigungsminister eine "konstruktive Begleitung" seiner Pläne zu.