Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll “umgehend“ handeln, fordern Politiker aus Union und FDP. Ein 90-Punkte-Plan liegt bereits vor.
Berlin. Vor dem Hintergrund miserabler Umfragewerte für die schwarz-gelbe Regierungskoalition gehen die Finanzpolitiker von Union und FDP in die Offensive. Sie erhöhen den Druck auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die in Aussicht gestellten Steuervereinfachungen zügig umzusetzen. Schäuble habe zwar ein umfassendes Vereinfachungsgesetz für den Herbst 2010 angekündigt, dieses aber ins Frühjahr 2011 verschoben, sagte Daniel Volk, FDP-Obmann im Finanzausschuss, dem Abendblatt. Dabei sei das komplizierte Steuersystem neben der Steuerbelastung "der größte Kritikpunkt in der Bevölkerung".
Bereits Ende Juni sei dem Finanzministerium ein mit der Union abgestimmter, 90 Punkte umfassender Katalog mit Vereinfachungsvorschlägen zugeleitet worden, sagte Volk. "Wir erwarten, dass sich Herr Schäuble umgehend damit auseinandersetzt." In dem 65-seitigen Papier, das dem Abendblatt vorliegt, werden zahlreiche Ansätze für Steuervereinfachungen aufgelistet. So sollen zum Beispiel alle Steuerzahler künftig auf Wunsch eine bereits vorausgefüllte Steuererklärung zugestellt bekommen, in der sich alle Daten befinden, die bei der Finanzverwaltung vorliegen. Darüber hinaus sollen Kindergeld und Kinderfreibeträge in Zukunft auch für volljährige Kinder ohne Einkommensprüfung gewährt werden. Wer Kinderbetreuungskosten zahlt, soll diese künftig generell absetzen können.
+++ 90-Punkte-Plan für ein neues Steuersystem +++
Volk, der auch Vorsitzender der AG Steuern und Finanzen der FDP-Fraktion ist, bekräftigte das Anliegen seiner Partei, dem zwischen den Regierungsparteien vereinbarten Versprechen eines einfacheren Steuersystems jetzt "Taten folgen" zu lassen. "Es ist wichtig, dass wir eine spürbare Vereinfachung erreichen." In der Union wird seine Forderung geteilt. "Das Argument, wonach für Steuervereinfachungen angesichts der Haushaltslage kein Geld da ist, gilt nicht. Es geht uns in erster Linie um Effizienzgewinne für Finanzämter und Steuerzahler. Da ist dringender Handlungsbedarf", sagte Hans Michelbach (CSU), Unionsobmann im Finanzausschuss, dem Abendblatt.
Dahinter steht auch die Überzeugung, dass sich Schwarz-Gelb so aus dem Stimmungstief herausarbeiten kann, das sich gestern in einer neuen Forsa-Umfrage bestätigt hat. Demnach erreicht die Union nur 30 Prozent. Die FDP verharrt bei fünf Prozent.
Im Bundesfinanzministerium aber will man sich nicht zur Eile drängen lassen: "Bei den Überlegungen sind die rechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten und vor allem auch die finanziellen Auswirkungen gründlich zu prüfen. Erhebliche Steuermindereinnahmen für die öffentlichen Haushalte sind derzeit nicht zu verkraften", sagte ein Sprecher.