Das Abendblatt nennt Details aus dem Katalog der Finanzexperten von Union und FDP.
Berlin. Ein Dreivierteljahr wurde nach Auskunft der Beteiligten im Bundestag auf Referentenebene an den Details gefeilt. Jetzt machen die Finanzpolitiker der Regierungsfraktionen Druck auf das Bundesfinanzministerium, den Katalog, der das deutsche Steuersystem von überflüssigen und komplizierten Regelungen befreien soll, schnell umzusetzen. "Das ist keine Frage der allgemeinen Haushaltslage, sondern in erster Linie der Effizienz", sagte Hans Michelbach (CSU), Unionsobmann im Finanzausschuss, dem Abendblatt.
Sein Kollege Daniel Volk (FDP) erklärte: "Die Regierungsfraktionen haben sich intensiver mit der Vereinfachung des Steuerrechts beschäftigt und dabei auch Positionen angesprochen, die eine mögliche Vereinfachung des Steuerrechts bewirken können. Hier wurden auch die Vorschläge der Länderkommission und einzelne konkrete Aspekte des Koalitionsvertrages aufgenommen." Volk ist überzeugt: "Eine Vielzahl der vorgestellten Alternativen würde zu einer Vereinfachung der Besteuerung führen."
Das Abendblatt nennt wichtige Vorschläge aus dem 90-Punkte-Plan, mit dem die Koalitionsfraktionen jetzt wieder in die Offensive kommen wollen.
Steuererklärungen: Allen Steuerzahlern soll künftig auf Wunsch eine bereits vorausgefüllte Steuererklärung zugestellt werden, in der sich alle Daten befinden, die bei der Finanzverwaltung vorliegen. Wer einverstanden ist, braucht nur noch zuzustimmen. Auch Rentner sollen von dem neuen Prozedere profitieren, dass Rentenbezugsmitteilungsverfahren an die Erfordernisse der neuen Steuererklärung angepasst werden. "Die vorausgefüllte Erklärung wird so vorbereitet, dass der idealtypische 'Nur-Rentner' diese nach Prüfung im Regelfall ohne Änderung an das zuständige Finanzamt zurücksenden kann", heißt es in dem Papier.
Kinderfreibeträge/Kinderbetreuungskosten: Kindergeld und Kinderfreibeträge sollen auch für volljährige Kinder ohne Einkommensprüfung gewährt werden, denn nur ein Prozent der volljährigen Kinder in Schul- oder Berufsausbildung überschreitet die festgelegte Einkunftsgrenze von 8004 Euro pro Jahr. Das soll Eltern, Finanzverwaltung und Familienkassen die Bearbeitung der Kindergeldanträge, der Einkommenssteuererklärungen und der Lohnsteuerermäßigungsanträge erleichtern. Wer Kinderbetreuungskosten zahlt, soll diese generell absetzen können, und zwar unabhängig davon, ob die Betreuung wegen der Berufstätigkeit der Eltern, aus Krankheitsgründen oder wegen einer Behinderung notwendig ist.
Entfernungspauschalen: Steuerzahler sollen künftig auswählen dürfen, ob sie die tatsächlichen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel geltend machen wollen oder die entsprechende Entfernungspauschale von 30 Cent je Kilometer. Vorteil: Dann müssten nicht länger Vergleichsrechnungen angestellt werden.
Werbungskostenabzüge: Da die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale) oft den allgemeinen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 Euro übersteigen, müssen Arbeitnehmer derzeit viele weitere kleinteilige Werbungskosten in ihrer Steuererklärung separat nachweisen. Damit soll jetzt Schluss sein. CDU/CSU und FDP schwebt vor, separate Pauschbeträge einzuführen. Dann könnten neben der Entfernungspauschale 100 Euro für die berufliche Nutzung des privaten Computers und 300 Euro für übrige Werbungskosten wie Fachbücher und Gewerkschaftsbeträge geltend gemacht werden.
Behindertenpauschalen: Menschen mit Handicap will Schwarz-Gelb das Ausfüllen der Steuererklärungen ebenfalls erleichtern. Vorgesehen ist die Erhöhung der Behindertenpauschbeträge bei weitestgehender Abschaffung des Einzelnachweises "zusätzlicher außergewöhnlicher Belastungen". Ziel ist es, Spezialausgaben im Zusammenhang mit Krankheiten und Behinderungen (etwa Fahrdienste, behindertengerechte Wohnungsausstattung, Urlaubsbegleitpersonen) pauschal abzugelten.
Mehrwertsteuersätze: Von der Anfang 2010 eingeführten Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers ist in dem Papier zwar nicht die Rede, dafür aber von Reit- und Rennpferden, für die nach Ansicht der Verfasser künftig der volle Satz gezahlt werden soll. Ebenso wie für Kunstgegenstände. Begründung: "Kunstgegenstände und Sammlungsstücke werden unter bestimmten Voraussetzungen ermäßigt besteuert. Kunstgegenstände müssen zum Beispiel Originale oder vollständig von Hand geschaffen sein. Sammlungsstücke müssen selten und wertvoll sein. Ob Objekte diesen Voraussetzungen entsprechen, können die Finanzämter aufgrund zahlreicher Abgrenzungsfragen nur sehr schwer feststellen."
Verabschiedet haben sich die Verfasser des 90-Punkte-Katalogs inzwischen von ihrer Forderung, private Steuerberatungskosten wieder abzugsfähig zu machen. Laut Berechnung der Bundesregierung würde dieser Schritt zu Mindereinnahmen von 400 Millionen Euro führen. Das wiederum sei politisch nicht durchsetzbar, sagt Daniel Volk. Hans Michelbach rechnet anders: Durch die Vorarbeit, die die Steuerberater für die Finanzämter leisteten, so der CSU-Politiker, würde das Defizit kompensiert. Gerade deshalb sieht er in diesem Punkt "Handlungsbedarf".
Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es gestern, man werde die finanziellen Auswirkungen aller Vorschläge gründlich prüfen. Grundsätzlich sei die Vereinfachung des zum Teil sehr komplexen Steuerrechts "ein wichtiges Anliegen des Hauses". Allerdings gelte dabei die Ansage: "Erhebliche Steuermindereinnahmen für die öffentlichen Haushalte sind derzeit nicht zu verkraften", wie es ein Sprecher gestern in Berlin formulierte.