Wehrbeauftragter spricht von dramatisch schlechter Ausrüstung für Bundeswehr-Einsatz und beklagt überbordende Bürokratie
Berlin. - Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat dramatische Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr in Afghanistan beklagt. Unter anderem kritisierte er unzureichend geschützte Einsatzfahrzeuge, fehlende Munition und sogar Defizite bei Verpflegung und Unterbringung. "Das alles ist einfach ein Drama, und das demotiviert die Leute natürlich schon sehr", sagte er der "Sächsischen Zeitung". Der FDP-Politiker ist seit Mai im Amt.
Unterstützung findet Königshaus beim Bundeswehrverband. Sprecher Wilfried Stolze sagte dem Hamburger Abendblatt: "Wir begrüßen es, dass auch der neue Wehrbeauftragte die Probleme aufgreift, die sich auch mit unseren Feststellungen decken." Neben Ausrüstungsmängeln leide die Truppe auch mitten im Einsatz unter überbordender Bürokratie. "Im Feldlager Kundus steht ein Schild 'Hier gilt die Straßenverkehrsordnung'", berichtet Stolze. "Solche Vorschriften dürfen aber bei einem Einsatz wie in Afghanistan nicht vorrangig sein." Einige Defizite wie den Mangel an gepanzerten Fahrzeugen habe Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) allerdings inzwischen angegangen, sagte Stolze.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hält die Kritik des Wehrbeauftragten für teilweise berechtigt. "Eine Einsatzarmee braucht schnelle und unbürokratische Lösungen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Allerdings handele es sich bei einigen Punkten auch um "partikulare Sichtweisen von einzelnen Soldaten".
Das Verteidigungsministerium zeigte sich dagegen von der Schärfe der Königshaus-Kritik irritiert. Die Ausstattung der Truppe werde ständig verbessert, sagte der stellvertretende Ministeriumssprecher Christian Dienst. Der Verteidigungsminister habe eigens dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der "Dutzende von Maßnahmen" angegangen würden. Dienst räumte allerdings ein, dass "die Ausrüstung in der Perfektion immer leicht hinterherhinkt". Der Mangel müsse immer erst im Einsatz erkannt werden, bevor man optimieren könne. "Wir können nicht durch einen Blick in die Glaskugel sehen, welche optimale Ausrüstung wir in zwei Jahren brauchen."
Königshaus hatte schon mehrfach auch in scharfer Form Ausbildungsmängel und Ausrüstungsdefizite beklagt, zuletzt in seinem ersten Zwischenbericht Ende Juni. Unter anderem bemängelte er jetzt, dass es keine Fahrzeuge gibt, aus denen heraus man versteckte Sprengsätze finden und beseitigen kann. Zudem kritisierte er schwerfällige Verfahren bei der Zulassung von Einsatzgeräten. "Wir müssen abwägen zwischen der Alltagsgefahr, für die unsere deutschen Normen gedacht sind, und den im Einsatz existierenden Gefahren durch Beschuss oder Sprengladungen", sagte der FDP-Politiker. Es gehe nicht darum, ob das Fahrzeug für eine Fahrt auf dem Kurfürstendamm geeignet sei. Deshalb müsse eine Regel lauten: "Wenn die Schutzwirkung im Einsatz höher ist als das Verletzungsrisiko im Alltagsbetrieb, dann muss die Schutzwirkung Vorrang haben."
Das Bundesverteidigungsministerium erklärte auf Anfrage des Abendblatts: "Grundsätzlich gilt, dass nur Ausrüstung in die Einsätze gebracht wird, die keine Gefährdung für die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten darstellt." Dabei würden die gleichen Sicherheitsstandards wie für den Ausbildungs- und Übungsbetrieb im Inland gelten. Die Abwägung von Schutzwirkung und Verletzungsrisiko habe "bereits Eingang in die Untersuchung und Freigabe von Fahrzeugen gefunden".
Ein Sprecher des Ministeriums wies darauf hin, dass die Bundeswehr bereits auf die veränderten Einsatzanforderungen reagiert und schwere Waffen wie Panzerhaubitzen entsandt habe. Außerdem würden 60 Patrouillenfahrzeuge vom Typ Eeagle IV beschafft, die bis Anfang 2011 nach Afghanistan gebracht werden sollen. 65 Transportpanzer Fuchs sollen auf eine höhere Schutzstufe umgerüstet werden.